Jüdische Lieder ohne Worte

SWRmusic 93.094
1 CD • 58min • 2002
05.05.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Ein vergessenes Genie“ – dieser Ehrentitel weckt hohe, womöglich übertriebene Erwartungen. Aber die Werke des Komponisten Grigorij Krejn, Sohn eines Klesmer aus dem russischen Nischnij Nowgorod, halten jedes Versprechen. Sein Pioniergeist, der aparte Reiz seiner doppelsinnigen melodischen Erfindungen, vor allem aber eine geradezu visionäre Klangphantasie lassen keinen Zweifel, daß der weithin unbekannte Musiker tatsächlich ein Genie war, ein kühner, unabhängiger Zeitgenosse Debussys und Schönbergs. Bis heute jedoch ist sein Name selbst Eingeweihten kaum ein Begriff. Vielleicht macht dieses von dem Pianisten und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov initiierte Aufnahmeprojekt einen Anfang und trifft auf Gleichgesinnte, die sich für Grigorij Krejn begeistern können und seine Kompositionen aus dem Dornröschenschlaf der Archive befreien.
Bereichert wird das fesselnde Komponistenportrait des Grigorij Krejn um ein Jugendwerk seines Sohnes Julian, um Variationen des 1992 verstorbenen Israel Brandmann (dem Franz Schmidt einst eine große Zukunft prophezeit hatte) und Bearbeitungen hebräischer Melodien aus der Feder des Klarinettisten Simeon Bellison (für den Prokofieff die Ouvertüre op. 34 schuf). Ohnehin liegen die Verdienste dieser Einspielungen mehr im Editorischen als im Interpretatorischen. Nemtsovs Vortragsstil zeichnet sich durch strukturelle Klarheit und Strenge aus, aber es läßt sich nicht überhören, daß die Musik, deren Entdeckung wir ihm verdanken, auf dieser CD noch längst nicht ausgereizt und ausgelotet scheint. Wolfgang Meyer wiederum bleibt einem Stück wie Krejns Berceuse funèbre doch einiges an subtiler Klangschönheit schuldig; andererseits müßte der Klarinettist in der Suite seines berühmten Kollegen Bellison ungleich musikantischer und extrovertierter zu Werke gehen, um den sprechenden Ausdruck der folkloristischen Miniaturen zu erschließen. Auch deshalb wäre es allemal wünschenswert, daß diese Aufnahme keine Einzeltat bliebe, sondern viele Nachahmer fände.
Wolfgang Stähr [05.05.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Grigori Kreijn | ||
1 | Vier Lieder ohne Worte op. 23 | |
Israel Brandmann | ||
2 | Variationen über ein Volksthema op. 12 | |
Grzegorz Fitelberg | ||
3 | Zur Trauung | |
Jakov Weinberg | ||
4 | Canzonetta (Großmutters Geschichte) | |
Boris Levenson | ||
5 | Hebräischer Tanz op. 68 | |
Jakov Weinberg | ||
6 | Kinderreigen | |
Julian Krejn | ||
7 | Drei hebräische Gesänge ohne Worte op. 12 | |
Grigori Kreijn | ||
8 | Drei Lieder ohne Worte op. 38 | |
9 | Berceuse funèbre op. 8 Nr. 1 | |
10 | Rhapsodie |
Interpreten der Einspielung
- Wolfgang Meyer (Klarinette)
- Jascha Nemtsov (Klavier)