Erato 0927-42836-2
1 CD • 78min • 2001
19.04.2002
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine ganz bemerkenswerte Chopin-Einspielung ist Nicolai Lugansky mit der vorliegenden CD gelungen. Sozusagen den Kern der Veröffentlichung bilden die Préludes op. 28, jene Reihe von klavieristischen Miniaturen, die sich offen nur als vorbereitende, zum Wesentlichen führenden Kompositionen bekennen, die dann aber – anders als die Präludien Bachs – nicht Vorspiel sind, nicht aufwärmende Fingerübung für ein bedeutenderes, folgendes Werk, sich aber auch nicht im „Nichts“ verlieren. Sie münden – wie Booklet-Autor André Tubeuf es formuliert – in die „Vision“.
Und genau so spielt Nicolai diese kleinen sich an den Wegmarken des Quintenzirkels orientierenden Pretiosen, die – jede für sich – eine ganze Welt, einen ganzen Kosmos auszudrücken vermag. Stets ist bei dem Pianisten eine poetische Distanz spürbar, ein stilisierendes Sich-Zurücknehmen. So hat man etwa im Falle des c-Moll-Trauermarsches schon wesentlich deutlicher und plastischer das Knarren des Leichenwagens vernommen. Nichts dergleichen ereignet sich bei der Interpretation von Nicolai Lugansky. Gewiß: die Charakteristik eines jeden Préludes ist deutlich erkennbar und mit Prägnanz herausgearbeitet, und doch gelingt es Lugansky, seine Sicht dieser präludierenden Dinge auf eine andere, nur dem Geist und der Phantasie zugängliche Ebene zu stellen, sie gleichsam ins Transzendentale zu erhöhen. Niemals gleitet er ab ins bloß Beschreibende, Plakative.
Gleiches gilt für die ausgewählten drei Nocturnes wie für die beiden Balladen, wobei er sich besonders in der vierten Ballade f-Moll op. 52 mit deutlich vernehmbarem analytischem Scharfblick seinen Weg durch das Dickicht der Formverschränkung bahnt. Über allem waltet eine geistige Freiheit, die in einer profunden Technik gründet und die es sich – wo angebracht – erlaubt, die Fesseln von Takt und Metrum abzustreifen, um der musikalisch-poetischen Intention zu ihrem Recht zu verhelfen. Zusammen mit feinsten Schattierungen in der Farbgebung läßt Nicolai Lugansky – vor allem im Des-Dur-Nocturne – anrührende und vor allem berührende Interpretationen entstehen. Eine sehr empfehlenswerte Einspielung.
Josef Manhart [19.04.2002]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Frédéric Chopin | ||
1 | Ballade Nr. 3 As-Dur op. 47 | |
2 | Nocturne Nr. 13 c-Moll op. 48 Nr. 1 | |
3 | Nocturne Nr. 8 Des-Dur op. 27 Nr. 2 | |
4 | Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52 Nr. 4 | |
5 | ||
6 |
Interpreten der Einspielung
- Nikolai Lugansky (Klavier)