Virgin Veritas 5 45461 2
2 CD • 2h 26min • 2000
01.09.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wie so oft beruht auch bei Arminio die Mißachtung einer Händel-Oper auf äußeren Umständen: Dem Werk war bei der Uraufführung kein durchschlagender Erfolg beschieden, und das Libretto ermangelt höchster poetischer Ausformung - für Musikhistoriker lange Zeit Grund genug, dieses Stück als zweitrangig abzutun. Erst in jüngster Zeit ist man bereit, die Dinge anders zu sehen: Nicht Händels Musik, sondern die Opera seria an sich befand sich 1737 in Schwierigkeiten, und es wäre doch seltsam, wenn der Komponist zwischen der grandiosen Alcina und dem unglaublich schönen Funeral Anthem in ein tiefes Loch gefallen wäre. Und siehe da: Auch Arminio bietet eine Fülle großartiger Musik. So kann die heroische Arie Fatto scorta (CD 2, Tr. 19) in ihrer Anlage und Funktion durchaus mit dem beliebten Doppo notte aus Ariodante konkurrieren, und wenn der gefangengesetzte Germanenfürst Arminio Al par della mia sorte singt (CD 1 Tr. 12), offenbart Händel eine wunderbare Größe im Einfachen, um die ihn alle nur beneiden können.
Die wahre Größe zeigt sich noch an einem grundsätzlichen Punkt: Arminio behandelt eine fiktive Episode aus dem Kampf der Römer gegen die Cherusker. Zunächst werden die Germanen besiegt, bis die Wende durch die Schlacht im Teutoburger Wald herbeigeführt wird. Dies hätte Händel - zumal als einen Deutschen - zu nationalem Pathos verleitet können. Statt dessen reflektiert er über Herrschertugenden und ethische Grenzen und schließt das Werk in nachdenklichen Molltönen.
All dies arbeitet Alan Curtis vorbildlich heraus. Bei ihm wird die Opera seria wieder das, was sie ursprünglich war, nämlich eine ernste Auseinandersetzung mit menschlichen Affekten. Sehr vorteilhaft ist, daß er die wichtigsten Kastratenrollen mit Frauen besetzt, zumal Vivica Genaux und Dominique Labelle ihre Partien mit dem nötigen Feuer gestalten können. Das weichere Kontratenortimbre dient dann der Charakterisierung einer Nebenrolle (Tullio), die von Sytse Buwalda angemessen interpretiert wird. Auch in der Wahl der Prima und Seconda Donna sowie der beiden weiteren Nebenrollen hat Curtis eine glückliche Hand bewiesen, denn alle sieben Solisten verfügen über sehr gute Stimmen und wissen das Prinzip der gesungenen Rede dramatisch überzeugend umzusetzen. Zur Höchstbewertung der künstlerischen Qualität fehlt lediglich das letzte Quantum an Klangkultur, denn das Orchester läßt es in seinem Streben nach packender Dramatik manchmal etwas zu sehr krachen. Nichtsdestoweniger ist dies eine überaus wichtige Bereicherung der Händel-Diskographie, die mit alten Vorurteilen gründlich aufräumt.
Dr. Matthias Hengelbrock [01.09.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Arminio (Opera in tre atti) |
Interpreten der Einspielung
- Geraldine McGreevy (Sopran)
- Dominique Labelle (Sopran)
- Vivica Genaux (Mezzosopran)
- Manuela Custer (Mezzosopran)
- Sytse Buwalda (Altus)
- Luigi Petroni (Tenor)
- Riccardo Ristori (Baß)
- Il Complesso Barocco (Orchester)
- Alan Curtis (Dirigent)