Philips 462 613-2
3 CD • 2h 49min • 1998
01.01.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Allein schon ihr hoher Informationswert zeichnet diese Neuerscheinung aus, weil eine wenig geläufige Oper Giuseppe Verdis vorgestellt wird, die keineswegs nur – geringschätzig – als Zweitfassung von I Lombardi apostrophiert werden soll. Dafür erscheint das Ausmaß der Änderungen zu umfangreich, ja zu substanziell. Der schon renommierte Komponist hat der Pariser Grand Opéra damals kein neues Werk angeboten, sondern die Umarbeitung eines bereits vorhandenen, wie es zuvor schon Rossini (Mose in Egitto) und Donizetti (Poliuto) getan hatten. Verdi nahm die Verpflichtung durchaus ernst, wollte er doch an der bedeutenden Pariser Bühne präsent sein.
Die Jerusalem betitelte französische Fassung von I Lombardi alla prima crociata ist das Ergebnis einer gründlichen Umarbeitung, worunter Kürzungen und Streichungen von Musiknummern ebenso zu verstehen sind wie deren Umstellung innerhalb des Werkes, Veränderungen der Instrumentation und – in erheblichem Maß – neu komponierte Musik. Deren größte "Brocken" sind ein Marsch mit Chor im zweiten Akt (CD 2/Tr. 6 und 7), des weiteren das an der Opera obligatorische Ballett (ca. 20') und das Finale des dritten Aktes mit einer dreiteiligen Gerichtsszene mit Chor. Ein neues Vorspiel, die Impression eines Sonnenaufganges (CD 1/Tr. 5) sowie eine Schlachtmusik (CD 3/Tr. 26) bieten dem mit delikatem Violinklang und vorzüglichem Blech aufwartenden Orchester zusätzliche Chancen.
Die Zahl der handelnden Personen wurde zwecks besseren Verständnisses reduziert, die Partie des Oronte erfuhr eine beträchtliche Aufwertung zum heroischer angelegten Gaston, dem Verdi als Verneigung vor dem berühmten Tenor Duprez sogar ein hohes "C" anvertraute, das hier von dem höhenstarken, strahlenden Marcello Giordani effektvoll, ja stupend intoniert wird. Angesichts dieser warm und angenehm füllig timbrierten, sehr flexiblen Stimme fragt man sich unwillkürlich, warum dieser kultivierte Tenor, dem eine verinnerlichte, schlanke mezzavoce ebenso zu Gebot steht wie kraftvolle Expansion, erst relativ spät zu seiner ersten Studioaufnahme kommt. Einige weniger resonante tiefe Töne wiegen nicht so schwer.
Mit viel Temperament, manch wirksamem Rubato und rhythmischer Akzentuierung erzielt Fabio Luisi Dramatik und passende Italianità. Als Helene investiert Marina Mescheriakova auch dramatischen Nachdruck, noch mehr nimmt aber ihre piano-Kultur für sie ein. Vereinte Baßgewalt auf Seiten der Kreuzfahrer: Philippe Rouillon als Graf, Daniel Borowski als nicht weniger sonorer Legat des Papstes und Roberto Scandiuzzi in der größten dieser Partien als schlankstimmiger, auch in extremen Passagen noch präsenter Roger.
Am etwas halligen Klangbild fällt die extreme Bandbreite der Dynamik auf, die dazu zwingt, fallweise die Lautstärke nachzuregeln.
Hermann Schönegger [01.01.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | Jérusalem |
Interpreten der Einspielung
- Marina Mescheriakova (Sopran)
- Jovo Reljin (Tenor)
- Marcello Giordani (Tenor)
- Slobodan Stankovic (Baß)
- Wolfgang Barta (Baß)
- Paolo Gavanelli (Bariton)
- Torsten Kerl (Tenor)
- Roberto Scandiuzzi (Baß)
- Philippe Rouillon (Baß)
- Daniel Borowski (Baß)
- Simon Edwards (Tenor)
- Choeur du Grand Théatre de Genève (Chor)
- Orchestre de la Suisse Romande (Orchester)
- Fabio Luisi (Dirigent)