pan 510 118-2
2 CD • 1h 36min • 1999
01.01.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Othmar Schoecks Oper Penthesilea ist ein Ausnahmewerk. Ein Spätromantiker mit schweizerischer Stilverspätung wirft sich der Moderne zwischen Salome und Wozzeck in die Arme. Der intime Liedmeister in der Hugo Wolf-Nachfolge rafft sich zum geballten Einakter auf. Nun, Schoeck hatte immer schon den Drang zur Musikbühne; dort wandelte er meist auf lyrischen Pfaden. In Penthesilea freilich ist die poetischste Szene, das Rosenduett zwischen Penthesilea und Achill, sogar erst nach der Dresdner Uraufführung 1927 zugefügt worden. Eine eigene Liebesenttäuschung dürfte Schoeck zu solchen (freitonalen) Kühnheiten verlockt haben. Frauen, die Männer zerfleischen – das war seine Sicht des Geschlechterkriegs.
Es hat nicht an (meist szenisch scheiternden) Versuchen gefehlt, Schoecks aufwühlendes Werk auf die Bühne zu bringen. Indes scheint bezeichnend, daß alle drei bisherigen Plattenaufnahmen aus konzertanten Mitschnitten stammen (1973 unter Zdenek Macal bei den Luzerner Festwochen, 1982 unter Gerd Albrecht bei den Salzburger Festspielen, 1999 unter Mario Venzago bei den Luzerner Festwochen). Die aktuelle Einspielung hat ihren Vorgängern nicht nur die Digitaltechnik (was beim schwergewichtigen und mit zehn Klarinetten geschärften Orchestersatz zählt) voraus, sondern auch das Engagement des Dirigenten. Venzago ist ein unbedingter, allerdings kritischer Schoeck-Fan – das hat er mit seinen Darbietungen von Venus (etwa in Heidelberg) bewiesen.
Venzagos Engagement für Schoeck geht so weit, daß er in die Partitur eingreift. Mit rhythmischen Verschiebungen, dynamischen Retuschen – und mit dem Bemühen, verstärkt auf die Kleistsche Vorlage (der Schoeck wortwörtlich, aber äußerst gestrafft folgt) zurückzugreifen. Vor allem der heikle Wechsel zwischen Singen und Sprechen wird gelöst, indem die vom Komponisten gestrichene Oberste der Amazonen wieder eingeführt und ihr (der Schauspielerin Imke Büchel) der meiste Sprechtext, zumal die Erzählung von Penthesileas rasender Rachetat, anvertraut wird. Damit dauert Venzagos Darbietung rund eine Viertelstunde länger als jene von Albrecht.
Es hat sich gelohnt. Venzago erreicht mit dem Basler Orchester, dessen Chef er seit 1997 ist, eine Präzision und hochgespannte Ausdruckskraft, die seinen Plattenvorgängern kaum zu eigen war. Daß all dies "wie ein Sturmwind vorüberrauschen" müsse, hatte Schoeck gehofft – das gelingt Venzago. Stärkste Unterstützung erhält er von Yvonne Naef, die eine phänomenale Tiefe mit frappierenden Aufschwüngen zu verbinden weiß; die junge Schweizer Mezzosopranistin braucht keine Vergleiche mit der prominenteren Helga Dernesch (bei Albrecht) zu scheuen. Nicht ganz dieselbe Höhe erreichen ihre Partner, der kraftstrotzende, im deutschen Idiom radebrechende James Johnson als Achill, die forcierende Renate Behle als Prothoe.
Mario Gerteis † [01.01.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Othmar Schoeck | ||
1 | Penthesilea op. 39 (Oper in einem Aufzug) |
Interpreten der Einspielung
- Renate Behle (Sopran)
- Susanne Reinhard (Sopran)
- Yvonne Naef (Mezzosopran)
- Ute Trekel-Burkhardt (Alt)
- Stuart Kale (Tenor)
- James Johnson (Bariton)
- Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn (Chor)
- Petr Fiala (Choreinstudierung)
- Sinfonieorchester Basel (Orchester)
- Mario Venzago (Dirigent)