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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Eindrucksvolle Stimmen

Semifinale der Sänger im 73. ARD-Musikwettbewerb

Semifinali im Fach Gesang sind, da sie aufgrund der wesentlich umfangreicheren Repertoireliste Abwechslung bieten, immer gut besucht. Die kürzere Dauer der Darbietungen bedingt, dass sich mehr als die bei den Instrumentalisten üblichen sechs Standardteilnehmer miteinander messen können. Somit ist es nicht verwunderlich, dass heuer acht Gesangsvirtuosinnen und -virtuosen die Möglichkeit erhielten, ihr Können zu beweisen, von denen es dann fünf ins Finale schafften. Da wir bei den Sängern auch schon sieben und acht Preisträger hatten, stehen ihre Chancen auf einen Preis also durchaus günstig.

Klassisches Klavierlied von Turnage

Gestern stand auch die Auftragskomposition No sad songs von Mark-Anthony Turnage auf dem Programm. Turnage vertonte ein höchst anrührendes Gedicht von Christina Rossetti (1830-1894) – ihr Bruder Dante Gabriel gilt als einer der einflussreichsten präraffaelitischen Maler – als klassisches Klavierlied. Die modale Harmonik verweist auf die älteren britischen Kollegen Benjamin Britten, Herbert Howells und Arnold Bax. Endlich einmal wieder ein Komponist, der für und nicht gegen die menschliche Stimme schreibt. Das Lied kam bei den Wettbewerbern offensichtlich so gut an, dass es bis auf eine Ausnahme alle auswendig vortrugen.

Fünf aus Acht

Die finnische Sopranistin Aurora Marthens, von wahrhaft walkürenhafter Gestalt und mit einem ebenso großen Instrument begabt, hätte ich nicht zwingend als Finalistin gesehen. Dazu hätte ihr „Monolog der Marschallin“ aus dem Rosenkavalier stärker von der Sprache her gestaltet sein müssen. Als reines Gesangsstück gibt er nämlich nicht viel her. Auch Fiordiligis „Felsenarie“ aus Mozarts Così ist ihre Sache nicht unbedingt. Obwohl sie den riesigen Umfang und die Koloraturen mit wahrer Todesverachtung brillant bewältigte und die Spitzentöne ihre runde Fülle behielten, fehlte ihr die Ironie für die künstlich-pathetische Aufregung der Komposition. Man muss ihr dabei jedoch zugutehalten, dass die Liste der Arien mit Orchester nicht gerade viel für Stimmen ihres Kalibers hergibt.

Klare Final-Kandidaten

Der südkoreanische Bariton Samueol Park überzeugte in der auch hübsch, aber dezent agierten Alternativarie des Guglielmo aus Così, „Rivolgete“, mit der man einen Umfang von G-fis1, Geläufigkeit, Farben und Humor zeigen kann. Hinzu kam eine subtil phrasierte „Arie des Jeletzki“ aus Tschaikowskys Pique Dame, in der er ein tragendes Piano, ein perfektes Legato, elegant geführte Diminuendi und eine makellose Intonation demonstrierte. Damit ist er völlig zu Recht im Finale.

Die russische Sopranistin Mira Alkhovik verfügt über das Timbre, das die Kenner als „rotsamten“ zu bezeichnen pflegen, um ein warmes Leuchten zu beschreiben. Sie zeigte in der Arie der Leila aus den „Perlenfischern“ von Georges Bizet hohe Phrasierungskunst, ein makelloses Legato mit exquisiter Verblendung der Stimmregister und eine große ausdrucksvolle Farbpalette, bei der die Spitzentöne immer ihre Rundung behielten. In der „Embroiderie“-Arie der Ellen aus Peter Grimes von Britten erreicht einzig Claire Watson eine noch dichtere Verbindung der Melismen. Klare Final-Kandidatin.

Der russische Tenor Aleksej Kursanov hat das Zeug, den Stammbaum seines berühmten Vorgängers Leonid Sobinow im hohen lyrisch-süßen Stimmfach fortzusetzen. Er präsentierte sich mit ausgefallenem Repertoire. In der Arie des Pylades aus Glucks Iphigenie auf Tauris beeindruckte er mit weichem, reinen Timbre und einer untadelhaften Linienbildung, Das Stück sieht auf dem Papier einfach aus, ist aber – wenn es perfekt gelingen soll – höchst anspruchsvoll. Dies gilt ebenso für das „Sonett des Flamand“ aus Capriccio, das zudem in der Tessitur unbequem hoch liegt – Richard Strauss als Bariton ärgerte die Tenöre in seinen Opern gern mit Unbequemlichkeiten – und mit exzellenter deutscher Diktion bewältigt wurde. Ebenfalls völlig zu Recht im Finale.

Lucia Tumminelli aus Italien verfügt über einen wohlgerundeten, großen Soprano lirico noch ohne Spinto-Schärfe. Die Register sind wunderbar verblendet, das Brustregister farblich gekonnt integriert. Ihr gelang eine sehr stimmige Interpretation ohne aufgesetzte Effekte von Lius „Tu che di gel“ aus Puccinis Turandot mit herrlichen hohen Bs. Ihre Interpretation der „Embroidery“-Arie übertraf noch die der Kollegin Alkhovik. Klare Finalistin.

Die Ausgeschiedenen

Der Bariton Chandai Park aus Südkorea brachte sich nach einem brillanten Mozart-Figaro und wunderbar zentrierten hohen F‘s mit Kaspars „Schweig“ (Freischütz) in Schwierigkeiten, da seine tiefen A‘s gegen das Orchester nicht durchkamen und die fallenden Skalen am Schluss im Staccatissimo anstatt im Legato genommen wurden.

Mezzosopranistin Ekaterina Chayka-Rubinstein wählte die wenig effektvolle Szene der Charlotte aus Massenets Werther, die ihr recht spannungsarm geriet, da die Piani im Raum keine Tragfähigkeit entwickelten. Beim Da Capo in Cherubinos „Voi, che sapete“ verzichtete sie – wie in der Vergangenheit üblich, aber heute stilistisch fragwürdig – auf jegliche Verzierungen.

Zu bedauern ist das Ausscheiden von Taehan Kim, der einen feinen Wagnerschen „Abendstern“ bot – wenngleich die Tiefe am Beginn des Rezitativs noch nicht recht trägt – und in „Sibillar“ aus Händels Rinaldo mit einem Dutzend hoher Fis, eleganten Koloraturen und virtuosen Trillern im Da Capo brillierte.

Das Münchner Rundfunkorchester unter Matthias Foremny akkompagnierte zuverlässig, jedoch gelegentlich etwas unflexibel und laut.

Thomas Baack (13.09.2024)

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