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Besprechung CD

William Grant Still

Songs • Piano Music

cpo 555 627-2

1 CD • 67min • 2023

28.08.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Seine Kollegen Leonard Bernstein und Aron Copland sollen sich über seine Kompositionen abfällig geäußert haben, und für das deutsche Publikum dürfte er noch ein großer Unbekannter sein. Doch seine amerikanische Karriere kann sich sehen lassen. William Grant Still (1895-1978) hat dort alles erreicht, was einem farbigen Künstler in seiner Zeit möglich war. In der Familie schon früh musikalisch gefördert, erhielt er eine umfassende Ausbildung als Instrumentalist und Komponist, war auf beiden Gebieten erfolgreich und daneben noch als Arrangeur und Plattenproduzent tätig. Als erster Schwarzer konnte er ein US-amerikanisches Orchester leiten. Das vorliegende Album gibt eine Übersicht über sein Liedschaffen und füllt nicht nur eine diskographische Lücke, sondern bietet auch echte Entdeckungen.

Faszinierende Melange

Obwohl er eine Zeitlang auch Schüler von Edgar Varèse war, sind Einflüsse der musikalischen Avantgarde hier nur in dem frühen Lied The breath of a rose (1928) zu finden. Wenn die Auswahl seiner Lieder repräsentativ ist für seinen musikalischen Stil, wie in einem Booklet-Kommentar versichert wird, dann ist dieser geprägt von einer durchaus faszinierenden Melange aus afro-amerikanischen und europäischen Musikelementen. Blues und Jazz vermischen sich mit romantischer und impressionistischer Harmonik. Heimatliebe und Patriotismus finden einen hymnischen Niederschlag in den Liedern Mississippi (dort ist Still geboren) und Arkansas (dort ist er aufgewachsen), aber auch in dem kurzen Fragment My brother American. Am Anfang des Albums steht der Marsch Rising Tide, der bei der New Yorker Weltausstellung 1939 in Dauerschleife lief. Den Abschluss bildet der Plain-Chant for America (1941), der – dem Präsidenten Franklin D. Roosevelt gewidmet – gegen den in Europa anwachsenden Faschismus musikalisch aufrüstet. Stills stetige Beschäftigung mit der Gattung des Negro Spiritual ist hier mit zwei Bearbeitungen (Here’s one und Sinner, please don’t let this harvest pass) dokumentiert.

Zwei Lied-Zyklen

Besondere Aufmerksamkeit im Programm verdienen die beiden thematischen Liederzyklen Songs of Separation (1949) und From the hearts of women (1959), die den Komponisten auf der Höhe seiner gestalterischen Möglichkeiten zeigen. Die „Lieder der Trennung“ zeigen Stills enge Verbindung zu den farbigen Autoren der so genannten „Harlem Renaissance“. Allerdings hat nur das letzte und eindringlichste (A black Pierrot) ein eindeutig afro-amerikanisches Sujet. Musikalisch finden sich hier viele Jazz- und Blues-Einflüsse. Bei den vier Liedern des zweiten Zyklus denkt man unwillkürlich an Robert Schumanns Frauenliebe und -leben, und dieser Bezug war den Autoren wohl auch bewusst. Die sehr einfühlsamen Texte stammen von der Pianistin und Schriftstellerin Verna Arvay (1910-1987), die aus einer Familie russisch-jüdischer Emigranten stammte und 1939 Stills zweite Ehefrau wurde und viele seiner Werke zur Aufführung brachte. Die Hochzeit musste übrigens in Mexico stattfinden, weil gemischtrassige Ehen in den USA damals noch verboten waren. Die Lieder vermitteln vier kontrastierende Stimmungen. Am Anfang steht ein Wiegenlied, das ein Kind seiner Stoffpuppe singt, am Ende die Klage einer Mutter, die ihren Sohn begraben muss. Dazwischen das laute, fast opernhafte Lamento einer Frau in der midlife crisis und – quasi als Scherzo – ein frivol flirtender Walzer (Coquette).

Neue vielversprechende Stimmen

Dem Pianisten Hartmut Höll, der als Intermezzo zu den Liedern A Piano collection spielt (drei farbige Charakterstücke ohne inhaltlichen Zusammenhang), ist für diese lohnende Begegnung mit dem hier noch unbekannten William Grant Still sehr zu danken. Aber auch für den Einsatz seiner beiden hochbegabten Schüler Gabriel Rollinson und Yajie Zhang. Der deutsch-amerikanische Bariton überwältigt geradezu mit seiner dunkel-virilen Prachtstimme (was für ein Don Giovanni müsste er sein!) wie mit seinem ausdrucksstarken, variablen und idiomatischen Vortragsstil. Und die chinesische Mezzosopranistin findet für jedes der vier so unterschiedlichen Frauenlieder einen charakteristischen Tonfall. Die beiden Booklet-Beiträge sind sehr hilfreich. Ein Album, dem man viele Abnehmer wünscht.

Ekkehard Pluta [28.08.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
William Grant Still
1Rising Tide 00:01:44
2Idolatry (aus: Songs of Separation) 00:02:30
3Poème (aus: Songs of Separation) 00:01:34
4Parted (aus: Songs of Separation) 00:00:48
5If you shoud go (aus: Songs of Separation) 00:01:18
6A Black Pierrot (aus: Songs of Separation) 00:02:37
7Arkansas 00:01:31
8All that I am 00:02:01
9Here's one 00:03:15
10Sinner, Please Don't Let This Harvest Pass 00:02:13
11Little Mother (aus: From the Hearts of Women) 00:03:35
12Midtide (aus: From the Hearts of Women) 00:02:57
13Coquette (aus: From the Hearts of Women) 00:01:37
14Bereft (aus: From the Hearts of Women) 00:02:03
15Mississippi 00:02:06
16Citadel 00:02:36
17Grief (Weeping Angel) 00:02:34
18Prelude (aus: A Piano Collection) 00:04:23
19Dance of the Porteuses (aus: A Piano Collection) 00:01:45
20Swanee River (aus: A Piano Collection) 00:01:50
21My Brother American 00:00:52
22Up There 00:00:54
23Bayou Home 00:03:19
24Song for the Valiant 00:02:06
25Song for the Lonely 00:03:35
26The Breath of a Rose 00:03:22
27Plain-Chant for America 00:07:47

Interpreten der Einspielung

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