Hans Gál
Serenade op. 46 • Divertimento op. 22b • Music for Strings • Violin Concertino
cpo 555 623-2
1 CD • 75min • 2020, 2021
07.08.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hans Gál (1890-1987) – in Wien als Komponist und Musikwissenschaftler ausgebildet und u.a. Mitherausgeber der ersten Brahms-Gesamtausgabe – musste als Jude 1938 nach Großbritannien emigrieren. Zeitlebens blieb er der Brahms-Nachfolge treu und komponierte noch mit neunzig abseits aller modernistischen Strömungen. Seit ungefähr 30 Jahren wird seine konservative, aber emotional wie handwerklich dennoch schätzenswerte Musik gerade auf CD wieder dem Publikum nahegebracht.
Entzückende Darbietung des Violin-Concertinos
Vom 1939 – wohl auf Anraten Max Rostals – bereits im Londoner Exil entstandenen Concertino für Violine und Streichorchester op. 52 gibt es bereits zwei neuere Aufnahmen. Während Annette-Barbara Vogel hierbei jedes Detail geradezu aussingt, ihre Empathie stellenweise fast ein wenig unglaubwürdig wirkt, die Orchesterbegleitung hingegen kaum mehr als routiniert erscheint, ist die Einspielung von Nina Karmon mit der Sinfonietta Riga unter Normunds Šnē – auch aufnahmetechnisch fantastisch – zwar von enormer struktureller Klarheit und Präzision, jedoch ein wenig unterkühlt. Reijo Tunkkari, dem langjährigen Konzertmeister des Ostrobothnian Chamber Orchestra, gelingt ein überzeugender Mittelweg: Ausdrucksstärke ohne falsche Sentimentalität oder überbetonte Nostalgie. Zudem macht Jan Söderblom – Sohn des legendären finnischen Operndirigenten Ulf Söderblom – weit mehr als die Konkurrenz die hoffnungsvolle Fröhlichkeit und den Spielwitz der zweisätzigen Komposition ohne langsamen Satz hörbar. Das Thema des abschließenden Rigaudon hatte Gál zuvor in einer anonymen Handschrift des British Museum entdeckt; ein bewusst gewählter, tröstlicher Kontrast zu den Bombardements, denen London damals ausgesetzt war. So faszinierend gespielt, vermag diese Lesart den Hörer sofort einzunehmen.
Feinsinnige Serenade
Die kompakte, leicht nachvollziehbare Streicherserenade von 1937 fußt auf einer nie veröffentlichten Violinsonate von 1934, die der Komponist entsprechend umarbeitete und um ein Scherzino erweiterte. Die Tempi von Šnē und Söderblom unterscheiden sich hier lediglich minimal, ebenso die Charakterisierungen der einzelnen Sätze. Beide Darbietungen sind somit auf gleicher Höhe. Für die gesamte CD könnte man jedoch anmerken, dass Söderblom mit dem Ostrobothnian Chamber Orchestra nicht ganz an die gewohnte Perfektion von dessen Gründer Juha Kangas anzuknüpfen vermag, was sich zum Glück nur an eher unwesentlichen Kleinigkeiten festmachen lässt.
Zum Divertimento umgearbeitetes Bläseroktett
Das Divertimento op. 22b – wiederum eine Umarbeitung des Bläseroktetts von 1924 – wurde in der Fassung für kleines Orchester 1929 uraufgeführt, die auf dieser Veröffentlichung ebenso wie die Musik für Streichorchester op. 73 als Erstaufnahme vorliegt. Mit den sieben zusätzlichen Bläsern findet Söderblom zu einem runderen und farbigeren Klang als bei den reinen Streicherbesetzungen. Das Werk ist durchaus geistreich, freilich noch ganz spätromantischen Konventionen verpflichtet. Auch in Gáls Opus 73 aus dem Jahre 1957, zwar fast schon ein Spätwerk, insistiert der Komponist wie gewohnt auf seine Verwurzelung. Gerade in den mehr kontrapunktischen Abschnitten erkennt man dafür seine ganze Könnerschaft: ein wunderbares Stück mit Tiefgang. Aufnahmetechnisch ohne größere Einwände, mit höchst informativem Booklet und zwei Neuentdeckungen, verdient die Produktion schon Aufmerksamkeit – zumindest für die Fans „alten Stils“.
Vergleichsaufnahmen: Annette-Barbara Vogel, Northern Sinfonia, Kenneth Woods (AVIE AV 2146, 2009); Nina Karmon, Sinfonietta Riga, Normunds Šnē (Hänssler HC23049, 2023).
Martin Blaumeiser [07.08.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hans Gál | ||
1 | Serenade op. 46 für Streichorchester | 00:13:18 |
5 | Divertimento op. 22b für kleines Orchester | 00:24:26 |
10 | Concertino op. 52 für Viola und Streichorchester | 00:17:33 |
11 | Musik op. 73 für Streichorchester | 00:19:45 |
Interpreten der Einspielung
- Reijo Tunkkari (Violine)
- Ostrobothnian Chamber Orchestra (Orchester)
- Jan Söderblom (Dirigent)