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Besprechung CD

Scenes from Childhood

Piano Works by Pedro Faria Gomes
Kenneth Hamilton, piano

Prima Facie PFCD224

1 CD • 54min • 2023

30.07.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Der portugiesische Komponist Pedro Faria Gomes, Jahrgang 1979, ist eng mit Großbritannien verbunden: in London hat er große Teile seines Studiums absolviert, und seit 2015 lebt und lehrt er in Cardiff. War vor ein paar Jahren ein Album mit Kammermusik von ihm bei Naxos erschienen, so widmet sich der schottische Pianist Kenneth Hamilton bei Prima Facie nun seinen Klavierwerken.

Zweimal vier Töne als Basis

Scenes from Childhood lautet der Titel des Albums, und in der Tat sind beide hier vorgestellten Werke von der Geburt und (frühen) Kindheit von Faria Gomes’ Kindern inspiriert, ohne dabei allzu unmittelbar deskriptiv sein zu wollen. In der 2021 entstandenen Suite J – das J steht für die Tochter Joana – bilden zwei Gruppen von vier Tönen die Grundlage des gesamten Werks: bei der einen handelt es sich um einen gebrochenen Dreiklang, bei der anderen um eine aufsteigende und wieder fallende kleine Sekunde. Der Dreiklang, der bei Faria Gomes für die Eltern steht, bezieht sich auf ein Motiv aus der Liebesszene aus Korngolds Filmmusik zu The Adventures of Robin Hood, die kleine Sekunde, das Kind also, auf die berühmte Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach. Musikalische Codes also, wobei Faria Gomes das Material eben ausschließlich auf diese ganz basalen vier bzw. acht Töne reduziert, sodass der Hörer ohne Zusatzinformation die Bezüge zu Korngold und Offenbach schwerlich herstellen dürfte (im Falle der pendelnden Sekunden liefert allerdings der letzte Satz der Suite einen Hinweis).

Intensive Transformationen des Ausgangsmaterials

Beide Motive bieten Faria Gomes nun Stoff genug, um ihn in zehn Sätzen, die sich schon in ihren Titeln und immer wieder auch im eher transparenten, oft zweistimmigen Klaviersatz explizit auf barocke Modelle beziehen, von den verschiedensten Seiten zu beleuchten. Schon im zweiten Satz, der Toccata, werden aus den Sekunden Triller bzw. Akkordtriller, im folgenden Rondò gewinnt die im Dreiklang auftretende Quinte für die Harmonik konstituierende Bedeutung, in der Corrente begegnet man den Sekunden à la Strawinski wieder (für meine Begriffe fast noch stärker im Sinne von Petruschka als in der Toccata) und so weiter, inklusive Umkehrungen, Spiegelungen oder Verlagerung in Nebenstimmen. Zarte, poetische Klänge, vielleicht im Sinne eines Wiegenlieds, spielen natürlich immer wieder eine Rolle (so im ersten Satz das Kindsthema, auch z.B. in den Sätzen 3 und 8). Faria Gomes’ Tonsprache ist dabei grundsätzlich traditionell orientiert, ohne sich auf eine bestimmte Schule oder Stilrichtung festzulegen; ihre tonalen Zentren ergeben sich wiederum aus den beiden Viergruppen ergeben, die G und Fis als Pole fixieren.

40 anregende Minuten voller Bezüge

Der Titel der CD, aber auch die (zweimal) vier Noten sind überdies natürlich auch eine Referenz an Schumann, dessen Carnaval ja auch sur quatre notes aufgebaut ist, und auch musikalisch steckt Faria Gomes’ Suite voller kleinerer Hinweise, Bezugnahmen und (mal nur angedeuteten, mal expliziten) Zitaten quer durch die Musikgeschichte, eine Art kompositorischer poeta doctus also. Vieles davon erfährt man in David Beards höchst informativem Begleittext, darüber hinaus erweist Faria Gomes in der abschließenden Sarabande, dem längsten, die Suite subsumierenden Satz, auch B-A-C-H eine Referenz, und hier und da fühle jedenfalls ich mich auch von Ferne an Messiaen erinnert, nicht zuletzt in der herabstürzenden Schlussgeste (ähnlich wie in den Vingt regards). Hier und da erscheint die Musik vielleicht ein wenig trocken mit einem gewissen Hang zu Sequenzen. Grundsätzlich aber ist dies über 40 Minuten hinweg ein anregendes, interessantes, hörens- und lohnenswertes Werk.

Kenneth Hamiltons sensible, sangliche Interpretationen

Gerade erst vergangenes Jahr entstand die Sonatine, ein knapp gehaltenes, helles, freundliches Werk, in gewisser Hinsicht der Gegenpart zur Suite nun anlässlich der Geburt von Faria Gomes’ Sohn. Hier bezieht sich der Komponist in den Außensätzen auf portugiesische Folklore, während der Mittelsatz Brahms’ berühmtes Wiegenlied sanft umspielt und harmonisch umdeutet. Die Quellen, aus denen sich diese Musik speist, unterscheiden sich also von der Suite, aber die Art und Weise, wie Faria Gomes mit ihnen umgeht, erneut in eher luzidem Satz, mit besonderem Augenmerk auf intensiver Transformation des Materials, weist allerlei Kontinuitäten auf. Dass diese Werke einen insgesamt deutlich positiven Eindruck hinterlassen, hat natürlich auch eine ganze Menge mit Kenneth Hamiltons Spiel zu tun: subtile, sensible, wunderbar sangliche, die meist eher dezent aufgetragenen Farben der Musik und ihr lyrisches Wesen vorzüglich nachvollziehende Darbietungen. Empfehlenswert.

Holger Sambale [30.07.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Pedro Faria Gomes
1Suite J 00:40:50
11Sonatina 00:12:58

Interpreten der Einspielung

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