Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD/SACD stereo/surround

Lekeu | Messiaen | Bacri

Carlotta Malquori Violin • Andrea D'Amato Piano

Ars Produktion ARS 38 370

1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2023

28.05.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Die Geigerin Carlotta Malquori und der Pianist Andrea D’Amato arbeiten bereits seit einigen Jahren zusammen, unter anderem als Mitglieder des Ares-Trios. Mit dem vorliegenden Album legen sie nun auch ihre erste CD als Duo vor, gewidmet französischem Repertoire von der Spätromantik bis in unsere Zeit.

Lekeus herrliche Violinsonate

Genau genommen war der jung verstorbene Guillaume Lekeu (1870–1894) Belgier, aber sein Schaffen und Leben ist natürlich eng mit der Musikkultur Frankreichs verbunden. Die für Eugène Ysaÿe komponierte Violinsonate G-Dur (1892/93) dürfte sein bekanntestes Stück sein, eines jener Werke, die nicht einmal besonders selten eingespielt worden sind (u.a. gleich zweimal durch Arthur Grumiaux) und dennoch einen gewissen Exotenstatus nicht völlig loswerden. Allein schon deshalb ist es sehr begrüßenswert, dass sich Malquori und D’Amato für dieses Stück entschieden haben. Lekeu war ja ein Meister des Verschatteten, des Düster-Brütenden, und insofern ist die Sonate eigentlich ein für seine Verhältnisse ungewöhnlich helles Werk. Nichtsdestotrotz ist auch ihr eine gewisse Schwerblütigkeit, eine dunkle Passioniertheit zu eigen, und zumindest in den Ecksätzen kommt dieser Tonfall in der überwiegend soliden, engagierten Interpretation von Malquori und D’Amato etwas zu kurz. Schön gelingt dem Duo der innige Gesang des langsamen Satzes (in den Eckteilen im 7/8-Takt), problematischer u.a. die rhythmisch etwas vertrackten Passagen (mit Synkopen im Klavier) im Finale ab etwa 5:20, und gelegentlich verschiebt sich in den Ecksätzen die Balance zwischen den beiden Instrumenten etwas zu Ungunsten der Violine (speziell angesichts des dichten Klaviersatzes). Insgesamt ist dies aber eine sehr ordentliche Lesart eines echten kleinen Meisterwerks.

Bacri „in Anlehnung an Brahms“

Das zweite größere Werk auf der CD ist die Violinsonate Nr. 4 op. 148 in Anlehnung an Brahms (2018) von Nicolas Bacri (Jg. 1961). Komponiert wurde sie für ein Brahms aujourd’hui betiteltes Album des Ensembles des Equilibres, dessen Konzept darin bestand, drei französische Komponisten unserer Tage damit zu betrauen, mit jeweils einer der drei Violinsonaten von Brahms in eine Art schöpferischen Dialog zu treten. Grundsätzlich ist Bacri ist ja jemand, der sich nach dem (in seiner eigenen Formulierung) „orthodoxen Modernismus“ seines Frühwerks relativ rasch einem traditionsorientierteren, erweitert tonalen Idiom zugewandt hat. Auch diese Sonate ist ein ordentlich gearbeitetes, solides Werk, das seine Momente hat, ohne unbedingt zu den inspiriertesten Werken seines Schöpfers zu zählen. Gedachtes Modell (innerhalb des besagten Albums) war Brahms’ Sonate Nr. 2, was aber keine allzu direkte Anlehnung bedeutet. Ein Fingerzeig ist insbesondere die A-Dur-Tonalität des (anders als bei Brahms ruhig verklingenden) Schlusses, zudem verwendet Bacri Tonchriffren wie F-A-E und F-A-F. Ansonsten bleibt es bei eher gelegentlichen Anklängen, die Struktur der Sonate mit ihrer „Mehrsätzigkeit innerhalb der Einsätzigkeit“ ist ohnehin nicht brahmstypisch, und die grundsätzliche Atmosphärik ist ein gutes Stück dunkler als diejenige von (speziell) Brahms’ Sonate Nr. 2. Es sind (auch im Vergleich zur Ersteinspielung durch die Auftragsgeber) diese etwas raueren Seiten, die Malquori und D’Amato in ihrer Interpretation besonders zur Geltung bringen.

Messiaens früher Variationszyklus

Als Brücke zwischen den beiden Sonaten fungiert das 1932 entstandene Thème et variations von Olivier Messiaen (1908–1992), ein frühes, aber in vielerlei Hinsicht bereits sehr charakteristisches Werk seines Schöpfers. In den (nicht wenigen) Aufnahmen, die von diesem kurzen Variationszyklus vorliegen, differieren die Tempi zuweilen sehr stark; sehr schnell und sicher nicht Messiaens Metronomangaben entsprechend, musikalisch aber keinesfalls unlogisch u.a. David Oistrach (mit Frida Bauer). Malquori und D’Amato sind entschieden auf der entgegengesetzten, sprich: dezidiert langsamen Seite anzutreffen, in Thema und Schlussvariation m.E. sogar ein Quäntchen zu langsam, jedenfalls so, dass gerade in Variation 5 Kompromisse in der Dynamik (und Dramaturgie) von Nöten sind, was das Duo dann auch dementsprechend realisiert (und teilweise etwas zurückgeht), aber letztlich doch ein wenig zu Lasten des musikalischen Flusses. Etwas spritziger könnte u.a. die Variation 3 geraten, wo nicht zuletzt die dynamischen Kontraste zu stark nivelliert erscheinen.

CD-Debüt mit ansprechendem Programm

Edith Piafs Chanson La vie en rose am Ende der CD, bei dem Malquori für zwei Minuten nicht an der Violine, sondern als Sängerin zu erleben ist, ist wohl als eine Art kleine Zugabe anzusehen, die freilich im Kontext dieses Albums etwas fremdelt. Insgesamt ein gutes CD-Debüt, das insbesondere durch sein interessantes Programm aufhorchen lässt.bale

Holger Sambale [28.05.2024]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Guillaume Lekeu
1Sonate G-Dur für Violine und Klavier 00:33:11
Olivier Messiaen
4Thème et Variations für Violine und Klavier (1932) 00:10:49
Nicolas Bacri
5Sonate Nr. 4 op. 148 für Violine und Klavier (In Anlehnung an Brahms) 00:18:22
Edith Piaf
9La vie en rose 00:02:07

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

28.05.2024
»zur Besprechung«

Lekeu | Messiaen | Bacri, Carlotta Malquori Violin • Andrea D'Amato Piano
Lekeu | Messiaen | Bacri, Carlotta Malquori Violin • Andrea D'Amato Piano

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige