Ludwig versus Beethoven
Paloma Kouider Piano
BY Classique BY007
1 CD • 58min • 2020
20.04.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man muss die Titel auf dem Cover genau lesen: Vorne heißt es LUDWIG versus BEETHOVEN, hinten LUDWIG van Beethoven – es geht also um die Gegenüberstellung des sehr jungen Ludwig gegen den reifen Beethoven. Oder, wie es die Pianistin Paloma Kouider im (nur) zweisprachigen (Englisch/Französisch) Booklet schreibt, „to compare these very earliest works with those of final maturity, such es the last cycles of Bagatelles, op. 119 and 126“. Die „earliest works“ sind die Variationen über einen Marsch von Eernst Christoph Dressler WoO 63 und die zweite der Kurfürstensonaten WoO 47 des damals 13-jährigen Ludwig. Die Pianistin will untersuchen, „to hear these early works that contain so much of the Beethoven to come“. Paloma Kouider, die aus Frankreich stammt, studierte bei Serguei Makarov in Paris, Elisso Wirssaladeze in Florenz und Avedis Kouyoumdijan in Wien, trat schon sehr früh bei renommierten Festivals auf und errang als Pianistin des Trio Karénine den 2. Preis plus Sonderpreise beim ARD-Musikwettbewerb 2013 in München.
„Musik des Aufbruchs“ beim jungen Beethoven
„The purpose of this recording is therefore to rediscover the young Ludwig’s first impulses…by confronting them with the ultimate works.“ Das konsequent Erfrischende an Kouiders Plan ist, dass sie an die Jugendwerke Beethovens mit genau dem gleichen stürmischen Elan und der gleichen peniblen Ausarbeitung herangeht wie an die Spätwerke. Und so entdeckt sie in der Kurfürstensonate die schon pathetische Energie, mit der „die Atmosphäre und sogar die Thematik der ‚Pathetique‘-Sonate merkwürdig deutlich vorweggenommen“ ist (Jürgen Uhde), malt den Farbenreichtum des Andante reichhaltig aus und freut sich am brausenden Final-Presto. Mit federnder Rhythmik und frischer Virtuosität spielt sie die Variationen über ein Thema von Dressler und unterscheidet da nicht zwischen den eher braven und den schon vielversprechenden Variationen, die Uhde schon als „Musik des Aufbruchs“ charakterisiert.
Paloma Kouider spielt die Bagatellen op. 119 nicht so tiefsinnig, so ausgeklügelt, so deutlich Spätwerk-haft wie etwa Alfred Brendel, sondern ursprünglicher, lebendiger, stürmischer und plastischer geformt, samt „Blitzen“ und Flammenmeer“ (so wieder Uhde) in op. 126 Nr. 2, scharfkantig, aber elastisch das Risoluto von op. 119 Nr. 5, mit feinem Wellenspiel in Nr. 6 und mit direktem Anschluss der Nr. 7 an die Nr. 6 – weil das Anfangsmotiv an die Schlusswendung von Nr. 6 anklingt, wie die Pianistin gut erkennt.
Die Wut über den verlorenen Groschen hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht in diesem Zusammenhang. Da hätte es charakteristischere kleine Werke gegeben.
Steinway klingt wie Hammerklavier
Erstaunlich ist, was Philippe Copin („Préparation et accord du piano“ heißt es im Booklet) mit dem Steinway D gemacht hat: Er klingt in weiten Teilen einem Hammerklavier ähnlich, wie es Beethoven verwendet hat. Das wirkt sehr zeit-authentisch und direkt. Dazu hat die Tonregie den Raumklang der Salle Debussy in Joigny perfekt in den Gesamtklang integriert.
Irritierend ist, dass es bei den Bagatellen und der Sonate weder Satzbezeichnungen (die ja doch fürs Anhören wichtig sind) noch Zeitangaben gibt, summarisch steht da nur 2-12 oder 17-22. Dafür gibt’s einen Punktabzug.
Rainer W. Janka [20.04.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Neun Variationen über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler WoO 63 | |
2 | Elf Bagatellen op. 119 | |
13 | Rondo a capriccio G-Dur op. 129 (Die Wut über den verlorenen Groschen ) | |
14 | Sonate f-Moll WoO 47/2 (2. Kurfürstensonate) | |
17 | Sechs Bagatellen op. 126 |
Interpreten der Einspielung
- Paloma Kouider (Klavier)