Ralph Benatzky
Der reichste Mann der Welt
Rondeau ROP9018
1 DVD-Video • 2h 06min • 2022
23.09.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nicht zu glauben, aber wahr: dieses „Stück mit Musik in fünf Bildern“ (der Begriff „Operette“ wurde wohl bewusst vermieden) ist seit seiner erfolgreichen Wiener Uraufführung 1936 an keinem Theater mehr gespielt worden und erlebte erst vor einem Jahr im kleinen Eduard-von-Winterstein-Theater im sächsischen Annaberg-Buchholz seine deutsche Premiere. Der Komponist Ralph Benatzky, der mit Im weißen Rössl einen Welterfolg hatte, der bis in unsere Zeit nicht abreißt, sah sich nach Hitlers Machtergreifung ins Abseits gedrängt und ging den Weg ins Exil. Viele der dort geschriebenen Werke, besonders aber Der reichste Mann der Welt, gerieten nach dem Krieg in Vergessenheit.
Hochzeit mit Hindernissen
Im vorliegenden Fall sehr zu Unrecht. Das Libretto von Hans Müller siedelt die Handlung im Jahre 1893 an, also in einer beginnenden Zeit des Umbruchs und des allmählichen Verfalls der k. und k. Monarchie. Der Ziegelei-Besitzer Thassilo von Györmrey steht kurz vor der Pleite, da er in Abhängigkeit zu dem Wiener Bankier Ludwig Reingruber, dem „reichsten Mann der Welt“, geraten ist. Seine Schwiegermutter Philippine glaubt das Problem lösen zu können, indem sie ihre Enkelin Ilka mit Schorsch, dem Sohn des Bankiers, verheiratet. Doch da hat sie sich gründlich verrechnet. Ilka ist eine moderne junge Frau, die schon beim Auftritt klarstellt: „Ich lass mich nicht verloben, ich trag den Kopf nach oben“. Aber auch Schorsch hat andere Pläne, als ins Geschäft seines Vaters einzusteigen, denn er träumt von einer Karriere als Opernsänger. Auf der Flucht voreinander begegnen sie sich incognito im Nachtzug nach Wien und verlieben sich ineinander. Bis sie am Ende glücklich vereint werden („Wer ist der reichste Mann der Welt? – Der seinen Schatz im Arme hält!“), vergehen aber noch einige Akte mit höchst abenteuerlichen und aberwitzigen Ereignissen.
Musikalische Qualitäten
Benatzky war ein sehr selbstkritischer Musiker, erkannte selbst „..die rückgratlose Stilmischung des Stückes, das oszilliert zwischen derbster Posse und ambitionösem Zeit-Stil und Lustspiel mit Anzengruberpathetik“, konstatierte aber andererseits „die Musik ist… empfunden und gut, vielleicht sehr gut!“ Recht hat er. Viele Nummern prägen sich auf Anhieb ein, wie der Tenor-Schlager „Ich hab mich verliebt!“ oder die Sopran-Couplets „Ohne Gans kein Gänseklein“. Spass macht auch Benatzkys spielerischer Umgang mit vorgefundenem Material, wenn er etwa im Liebesduett den Donauwalzer oder den Fledermaus-Csardas zitiert und verfremdet. Auch die Ensembles sind spritzig. Da die Orchesterpartitur des Stücks verloren gegangen ist, musste eine neue Orchestrierung vorgenommen werden, die Wolfgang Böhmer auf der Grundlage von Benatzkys Klavierauszug erstellt hat. Der klangliche Eindruck ist überzeugend. Mit nur 19 Instrumenten (darunter Orchesterklavier und Schlagwerk) wird da einerseits eine Reminiszenz an die klassische Wiener Operette vermittelt, andererseits den vom amerikanischen Musical beeinflussten Stilelementen Rechnung getragen. Die Mischung stimmt und man bewundert den Dirigenten Jens Georg Bachmann, der am Pult eine seltene Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Lockerheit erreicht und im Graben einen Schwung entfacht, der den szenischen Turbulenzen entspricht.
Animierende Spiellaune
Christian von Götz, Regisseur und Ausstatter in einer Person, ist gegenüber dem dramaturgisch recht halsbrecherischen, aber musikalisch mitreissenden „Stück mit Musik“ mit einigem Bühnenglück in die szenische Vorwärtsverteidigung gegangen. Er setzt mit geringen äußeren Mitteln auf Tempo und Abwechslung, macht seinen grell kostümierten und clownesk geschminkten Akteuren Beine und hat auch keine Scheu vor Überdrehtheiten wie dem Sackhüpfen der Sänger oder dem Liebesgeturtel in Spielkisten (= Coupés) und auf Inline-Skatern, da wird auch mal ohne tieferen Sinn auf Melkschemeln gesungen und dauernd gehen auf der Drehbühne Türen auf und zu. Das gesamte Ensemble ist mit Laune bei der Sache und die beiden Protagonisten können auch vokal punkten: die temperamentvolle Ilka von Madelaine Vogt und der wunderbar sich selbst persiflierende Schorsch von Richard Glöckner.
Ekkehard Pluta [23.09.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ralph Benatzky | ||
1 | Der reichste Mann der Welt (Stück mit Musik in fünf Bildern) | 02:06:27 |
Interpreten der Einspielung
- Madelaine Vogt (Ilka)
- Richard Glöckner (Schorsch)
- Jason-Nandor Tomory (Ludwig Reingruber)
- Christian Wincierz (Bandi)
- Gisa Kümmerling (Philippine)
- Laszlo Varga (Thassilo)
- Leander Marel (Anselm Hünemann)
- Juliane Prucha (Marie)
- Marvin George (Graf Bronsky)
- Stephanie Ritter (Zenzi)
- Nadine Dobbriner (Juliska)
- Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters (Chor)
- Erzgebirgische Philharmonie Aue (Orchester)
- Jens Georg Bachmann (Dirigent)