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Besprechung CD

Leopold van der Pals

String Quartets Vol. 1
Van Der Pals Quartet

cpo 555 282-2

1 CD • 66min • 2019

04.10.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Wie schön, wenn ein Nachfahre dem zu Lebzeiten vernachlässigten musikalischen Œuvre seines kosmopolitischen (Ur)-Großonkels Leopold zu neuer Hörerschaft verhilft! Nachdem er bereits Aufnahmen von Kammermusik mit Klavier und zwei CDs mit Orchesterwerken angeregt hat, hat sich der schwedische Cellist Tobias van der Pals jetzt mit dem von ihm begründeten Quartett der ersten drei Streichquartette angenommen. Vorzügliche Musik zwischen Spätromantik und Impressionismus, die der vorrangig an der Avantgarde Schönbergs orientierten Musikkritik der Nachkriegszeit wenig Freude bereitete und deshalb unbeachtet blieb, es jedoch unbedingt verdient, gehört zu werden.

Ein kosmopolitischer, polyglotter Anthroposoph

Leopold van der Pals (1884-1966) entstammte einer großbürgerlichen St. Petersburger Fabrikantenfamilie. Der Vater war ein holländischer Adliger aus der Familie van Gilse van der Pals, die Mutter Tochter des Dänen Julius Johannsen, Direktor des Petersburger Konservatoriums und Kompositionslehrer von Nikolai Rimski-Korsakow und Anatol Ljadow.

Van der Pals studierte nach der Grundausbildung beim Großvater zunächst Komposition und Cello in Lausanne. 1907 wechselte er auf Empfehlung von Rachmaninoff zu Reinhold Glière, der damals in Berlin wirkte. Dort lernte er Rudolf Steiner kennen und setzte sich – ähnlich wie Skrjabin – mit den Ideen der Theosophie auseinander. Er baute am Goetheanum in Dornach mit und komponierte für die anthroposophische Gesellschaft Musik zu Jahreszeitenspielen auf mittelalterliche Texte. Von seinen 252 mit Opuszahlen versehenen Kompositionen, darunter 3 Sinfonien, ein 45-teiliger Liederzyklus auf den Tod seiner Frau und Kammermusik ist so gut wie nichts im Druck erschienen. Diese Aufnahme von Streichquartetten glänzt also mit vier Weltpremieren.

Spätromantik mit im- und expressionistischer Würzung

Wenn drei Streichquartette und eine Elegie auf den Tod von Maria Steiner auf einer CD Platz finden, erlaubt dies den Schluss, dass van der Pals – anders als die meisten Spätromantiker – wenig Zeit für seine musikalisch dichten Aussagen benötigte. In allen drei Quartetten findet die traditionelle Form zwar Anwendung, jedoch werden die Themen und Motive im Sinne von Brahms‘ „entwickelnder Variation“ einer ständigen Metamorphose unterworfen. Zudem weisen alle drei Quartette zyklische Elemente auf, d.h., Material aus vorangegangenen Sätzen wird später wieder aufgenommen. Dies erfordert waches Mitvollziehen auch der polyphonen Strukturen.

Das erste Quartett op. 33 in g-Moll (1917/18) reflektiert die Unruhe und Spannung der Zeit des Ersten Weltkrieges und den Verlust des Familienbesitzes durch die russische Revolution. Hierbei handelt es sich jedoch um ein inneres Ringen ohne äußerliche Kraftakte und Knalleffekte. Die Themen greifen russische und skandinavische Intonationen auf, gehen ins Ohr und machen durch ihre Merkbarkeit das Verfolgen von Kanonbildungen und ähnlicher kontrapunktischer Kunststücke relativ einfach.

Das zweite Quartett op. 66 in e-Moll (1925) hat der Komponist nie zur Gänze gehört. Es wurde erst 2018 vom Van der Pals-Quartett uraufgeführt. Dies liegt nicht an dessen Qualität. Das Booklet vermutet, dass es ihm vielleicht zu persönlich gewesen wäre.

Das dritte Quartett op. 79 (1948) „Metamorphosen“ setzt die beschrittene Linie der entwickelnden Variation und der Verdichtung fort. Das „Scherzo“ ist der modernste Satz und erinnert an Hindemith in seiner expressionistischen Phase.

Kongeniale Interpretation

Die Herren Gordan Trajkovic, Fredrik Burstedt, Markus Falkbring und Tobias van der Pals musizieren mit großer Spannung und Intensität. Nirgendwo käme man auf die Idee, dass es sich um eine Gefälligkeit für den Cellisten handele. Das ist sorgfältig analysiert, hervorragend präpariert und absolut überzeugend gespielt. Wollte man überkritisch sein, könnte man anmerken, dass länger miteinander musizierende Quartette bei Unisoni ihr Vibrato noch präziser aneinander angleichen und eine Spur präziser intonieren. Dies ist jedoch nur eine Frage der Zeit.

Das Booklet ist exzellent, da Tobias van der Pals die Entstehungsgeschichte der Werke anhand der Tagebücher des Komponisten dokumentiert, sodass der Hörer einen Einblick in die Gedankenwelt des Komponisten bekommt. Aufnahmetechnisch ist nichts zu kritisieren.

Fazit: Ein Streicher komponiert für Streicher und nutzt die volle Farbpalette des Genres. Interessante Musik, die in ihrer Zeit vielleicht schon nicht mehr modern war, aber trotzdem Charakter und Aussagekraft besitzt. Ich warte gern auf Vol. 2. Klare Empfehlung!

Thomas Baack [04.10.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Leopold Van der Pals
1Streichquartett Nr. 1 op. 33 00:26:21
4Streichquartett Nr. 2 op. 66 00:20:50
8Streichquartett Nr. 3 op. 79 (Metamorphosen) 00:12:56
12In Memoriam Marie Steiner op. 176 00:05:24

Interpreten der Einspielung

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