Antonio Vivaldi
Concerti per flauto e Arie
Prospero PROSP 0054
1 CD • 67min • 2022
05.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn ein so prominenter Komponist wie Antonio Vivaldi eigens für die Blockflöte komponiert hat, reizt es selbstverständlich jeden, der über das virtuose Rüstzeug auf seinem Instrument für diese technisch anspruchsvollsten Werke des Barock verfügt, sie einzuspielen. So kann man sich per Streaming durch die Crème der Blockflötisten hören. Das Ergebnis gereicht dann im besten Fall zur Verzauberung des Hörers, im schlechteren nur zur Staunen, dass jemand auf diesem vermeintlichen Kinderinstrument so schnell spielen kann.
Schlager + Minimal Music = Konzertsatz
Wenn Vivaldi nicht durch eine äußere Anregung wie in den Jahreszeiten, Il Gardellino oder La Notte motiviert ist, verfährt er nach dem Motto „Geschwindigkeit ist keine Hexerei“. Er schreibt ein eingängiges „hitverdächtiges“ zweiteiliges Ritornell und baut die Soloabschnitte mit virtuosen Figurationen über modulierende Bass-Modelle (häufig Quintfallsequenzen), die jeder Kompositionsschüler im 18. Jahrhundert durch die Aussetzungen vieler Partimenti im Schlaf beherrschte. Diese ermöglichen es, das Ritornell entweder komplett, oder nur dessen ersten oder zweiten Teil als tonal stabile Ruhepunkte zwischen den modulierenden Soloabschnitten in der jeweils erreichten Zieltonart zu verwenden. Die Figurationen der Blockflötenkonzerte sind geigerisch empfunden und deshalb mit den weiten Sprüngen wenig bläsergerecht. Sie bieten zudem kaum Möglichkeiten zu Zwischenatmungen. Besonders unangenehm spielt sich das c-Moll-Konzert für Altblockflöte, da hier aufgrund der Gabelgriffe zumeist mehrere Finger mit der Doppel- oder Tripel-Zunge synchronisiert werden müssen. Da die kleine Sopranino-Blockflöte, für die die meisten Konzerte geschrieben wurden, nur einen minimalen Blasdruck verträgt, besteht die Gefahr, dass man den Schluss der Soli fast nur noch auf CO2 spielt. Durch vielfache Wiederholung derselben Figur – Problem: hab ich das jetzt schon viermal gespielt oder erst dreimal? – entsteht dann aber eine Sogwirkung die von den Komponisten der Minimal Music wieder aufgegriffen wurde.
Spontan und doch kontrolliert
Isaac Makhdoomi verfügt ohne Frage über das virtuose Rüstzeug für diese Kompositionen. Er wählt generell schnellere Tempi als seine berühmten Kollegen Michala Petri, Dan Laurin oder Erik Bosgraaf und hält sie durch. Dies nimmt den Kompositionen jedoch etwas von ihrer charmanten Leichtigkeit und wirkt gelegentlich demonstrativ. Er verziert phantasievoll, die Ornamente wirken spontan und doch kontrolliert. Dies macht besonders die beiden eingestreuten Arien hörenswert. Zunge und Finger sind – bis auf wenige Ausnahmen – exzellent koordiniert. Sehr hübsch das improvisierte Capriccio in La Notte, wo er auch mit der unangenehm tiefen Lage hervorragend zurechtkommt. (Das Stück hat in beiden Fassungen die Besetzungsangabe Flauto Traverso). Entzückend gelingt ihm die Darstellung des Distelfinks in Il Gardellino. Manche Atemstellen in langsamen Sätzen vermag ich jedoch nicht nachzuvollziehen. Das Siciliano in RV 443 wurde von Vivaldi ausgiebigst ornamentiert. Möglicherweise als Muster für eine seiner Schülerinnen. Hier wäre es interessant gewesen, eine dekolorierte Fassung zu erstellen und diese erneut zu verzieren, anstatt Vivaldi um ein paar Zusatzornamente zu bereichern. Dem grundsätzlich positiven Eindruck abträglich sind einige Manierismen, die offensichtlich auf den verderblichen Einfluss Maurice Stegers zurückgehen: überspitze Spuck-Staccati mit unfreiwilligen Akzenten; falsche Betonungen von Auftakten, weil kurz mit akzentuiert verwechselt wird; durch die verwendeten, auf Lautstärke gezüchteten Instrumente ein etwas „blökflötiger“ Klang. Möglichst schnell abgewöhnen!
Aufnahmetechnisch sind keine Mängel festzustellen. Allerdings wurde die Flöte einmal wieder lauter als im Original abgebildet. Der exzellente Booklet-Text von einem der besten Kenner der Materie, David Lasocki, führte zur Aufwertung des Gesamteindrucks.
Thomas Baack [05.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Concerto C-Dur RV 443 für Blockflöte, Streicher und Basso continuo | 00:11:11 |
4 | Flötenkonzert Nr. 11 c-Moll RV 441 für Blockflöte, Streicher und Basso continuo | 00:11:11 |
7 | Sovente il sole (Arie - aus: Andromeda liberata RV Anh. 117) | 00:08:31 |
8 | Konzert Nr. 14 D-Dur op. 10 Nr. 3 RV 428 für Flautino, Streicher und Continuo (Il gardellino) | 00:09:03 |
11 | Flötenkonzert Nr. 13 g-Moll op. 10 Nr. 2 RV 439 (La Notte) | 00:07:56 |
16 | Vedrò con mio diletto (Aria - aus: Giustino RV 717) | 00:04:32 |
17 | Concerto a-Moll RV 445 für Blockflöte, Streicher und Basso continuo | 00:07:29 |
20 | Konzert f-Moll op. 8 Nr. 4 RV 297 - Largo (Der Winter - aus: Die vier Jahreszeiten) | 00:04:15 |
Interpreten der Einspielung
- Isaac Makhdoomi (Blockflöte)
- Ensemble Piccante (Ensemble)
- Arnaud Gluck (Countertenor)