Poul Ruders
Ruders Chamber Players

OUR Recordings 6.220680
1 CD • 59min • 2020, 2021
09.10.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Komponist Poul Ruders (Jg. 1949) feiert seine Erfolge vorwiegend in den angelsächsischen Ländern und natürlich in seiner Heimat Dänemark. Sein Schaffen ist – ungewöhnlich für einen Zeitgenossen – umfänglich bei den Labels Da Capo und Bridge Records auf Tonträgern dokumentiert. Jetzt haben sich die Rudersdal Kammersolister, die im Kern ein Klavierquartett bilden mit dem Klarinettisten Jonas Frølund und der Geigerin Isabelle Bania verstärkt, um drei von Ruders Kammermusikwerken erstmalig einzuspielen.
Multistilist
Da ich nur sehr bedingt der Spezialist für Zeitgenössisches bin, habe ich mich über den wohl bedeutendsten lebenden dänischen Komponisten erst einmal schlau machen müssen. Er beherrscht sowohl das tonale Metier (Paganini-Variationen) als auch Unterhaltliches (Suite aus Kafka`s Process). Seine Oper Selma Jezková wurde 2015 bei den Münchner Opernfestspielen aufgeführt.
Die hier eingespielten anspruchsvollen Kammermusikwerke erfordern jedoch eher erfahrene Hörer. Wer etwas mit dem Klarinettenquintett des jungen Paul Hindemith, Alban Bergs Lyrischer Suite oder Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps anfangen kann, dürfte wenig Schwierigkeiten haben, dem Verlauf der Werke zu folgen. Hierbei helfen auch die vom Komponisten – allerdings nur auf Englisch – für das Booklet verfassten Hinweise.
Das Klarinettenquintett (2014) gibt sich im ersten Satz Avanti Alla Breve etwas ruppig-expressionistisch. Zentral ist hier der Mittelsatz Adagio sognante der vom Klarinettisten eine stupende Atemtechnik verlangt. Ohne Permanentatmung, d.h. Luft im Mund sammeln und damit weiterblasen, während man gleichzeitig durch die Nase nachatmet, sind die gnadenlos langen Linien der Traummelodie (sognante=träumend) überhaupt nicht darzustellen. Hinzu kommen Schwelltöne in allerhöchster Lage und gelegentliche Flageoletts (mit minimalem Atemdruck erzeugte schwebende Töne im ppp). Das Finale referenziert am Schluss nochmal auf die Traummelodie, gibt sich dabei aber ansonsten eher robust mit Anklängen an Strawinsky und Hindemith, wobei immer wieder beruhigende Abschnitte eingeflochten werden.
Throne (1988) für Klarinette und Klavier hat den am stärksten avantgardistischen Charakter. Es gibt beiden Partnern Zeit mit Klängen unterschiedlichster Art zu jonglieren. Der Pianist muss unterschiedliche Effekte erzeugen und – so wie es klingt – sein Instrument à la John Cage vorher präparieren. Es ist über die Assoziationskette Erhebung, Einheit, Diamanten, Krone, Ruhm, Samt, Zerbrechlichkeit, Verfall, Vergessenwerden, Nichts komponiert, weshalb das Stück mit einer langen Generalpause endet.
Das viersätzige Klavierquintett (2016) ist zyklisch angelegt und beginnt mit einer unschuldigen Melodie in Dur, die das langsame Erwachen einer Blume mit dem Ausstrecken der Blütenblätter schildert. Diese wird im Tagesablauf in den folgenden Sätzen unterschiedlich gedehnt und gestresst, um am Ende wieder in fast unveränderter Gestalt zurückzukehren und die Blütenblätter zu schließen. Die Sätze schließen alle mit demselben Refrain. Das ist vom Programm her nachvollziehbar, doch muss es sich in diesem Fall um eine recht robuste Blüte handeln.
Kongeniale Interpretationen
Gemäß den Intentionen des Komponisten stehen hier Klarinettist Jonas Frølund und Pianist Manuel Esparilla stärker im Rampenlicht als Christine Pryn, Isabelle Bania (Vl.), Mina Fred (Va.) und John Ede (Vc.). Frølund verfügt über einen schier endlosen Atem. Die klangschöne Produktion der Töne in der dreigestrichenen Oktave in allen dynamischen Graden muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Sehr überzeugend auch seine ungemein präzise Intonation in Unisono-Passagen mit Klavier sowohl im ff wie auch im pp und seine Flageoletts sind wirklich köstlich. Esparilla realisiert seinen rhythmisch teilweise kniffligen Part höchst überzeugend. Die Streicher steuern Farbe und eine wundervoll präzise Intonation in den Klangflächen mit Reizakkorden bei.
Aufnahmetechnisch wird das Geschehen plastisch und mit einer großen Spannweite der Dynamik abgebildet. Und wer könnte seine Werke besser kommentieren als der Schöpfer selbst?
Fazit: Eine SACD für Menschen, die offen für Zeitgenössisches sind. Wer bei Messiaen aussteigt, sollte besser die Finger davon lassen, es sei denn, er wäre Klarinettist. Denn für diese handelt es sich um einen Pflichtkauf!
Thomas Baack [09.10.2022]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Poul Ruders | ||
1 | Klarinettenquintett | 00:20:24 |
4 | Throne | 00:14:13 |
5 | Klavierquartett | 00:23:29 |
Interpreten der Einspielung
- Rudersdal Chamber Players (Ensemble)