Johann Kuhnau
Complete Sacred Works Vol. 8
cpo 555 460-2
1 CD • 71min • 2021
30.06.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit diesem achten Teil geht eine besonders verdienstvolle Edition barocker Kirchenmusik zuende: die des geistlichen Gesamtwerks von Johann Kuhnau (1660–1722), des Vorgängers von Johann Sebastian Bach als Leipziger Thomaskantor. Was für ein prestigeträchtiger Posten das war, zeigt sich allein schon an der Liste der berühmten Bewerber; Telemann und Graupner wären als Beispiele zu nennen, denn der Leipziger Rat hätte 1723 lieber einen dieser beiden in Kuhnaus Nachfolge berufen: „Da man nun die besten nicht bekommen könne, müsse man den mittleren nehmen...“ kommentierte Ratsherr Platz die Wahl Bachs im Protokollbuch. Telemann hatte in Leipzig studiert und dort mit der Gründung des Collegium Musicum ein Orchester ins Leben gerufen, dessen sich noch Bach bedienen sollte. Da Telemann aber gerade in Hamburg die ebenfalls lukrative Stelle als director musices angetreten hatte, nutzte er die Leipziger Avancen dafür, der Hansestadt eine doppelte Gehaltserhöhung für sein Bleiben abzunötigen. Christoph Graupner hingegen wollte sein Dienstherr, der Darmstädter Landgraf Ernst-Ludwig, nicht freigeben; und so blieb er – ebenfalls unter Aufbesserung seines Salärs – auf seinem Posten als Hofkapellmeister der hessischen Residenz.
Im Schraubstock zwischen Gelehrtheit und Genie
Nach seinem Tod geriet der universal gebildete Johann Kuhnau zunächst nicht in Vergessenheit; noch 1758 wurde er, 26 Jahre nach seinem Ableben, vom Lexikographen Johann Christoph Adelung wegen einer breiten Gelehrsamkeit gerühmt. Im 19. Jahrhundert geriet er freilich als rückwärts gewandter akademischer Kleinmeister in den Schatten seines Nachfolgers Johann Sebastian Bach, der in durchaus romantisch motivierter Rezeption zum Gipfelpunkt der bisherigen Musikgeschichte erhoben wurde.
Neu erwachtes Interesse
Glücklicherweise wird dem Musikschaffen Johann Kuhnaus seit einigen Jahren Gerechtigkeit zuteil. Seit 2014 erscheint die wissenschaftliche Neuausgabe seines geistlichen Gesamtwerks, die von David Erler betreut wird, der als Countertenor das Bindeglied zwischen der Notenausgabe und dieser Einspielung auf CD darstellt, an der er als Sänger mitwirkt. Die dramatische Vielfalt, mit der Johann Kuhnau seine geistliche Musik ausstattet, wirft übrigens einen bezeichnenden Blick auf das theologisch stockkonservative Leipzig, das dem Nachfolger Bach, der ja ohnehin „dritte Wahl“ war, vorschrieb, seine Kompositionen dürften „nicht zu opernhafft herauskommen“: Möglicherweise waren diesen frommen Herrschaften schon Kuhnaus Kompositionen „zu opernhafft“ vorgekommen.
Glanzvoller Abschluss
Der Rezensent darf diese bemerkenswerte Werkedition eines bedeutenden geistlichen Werks, das gewissermaßen ein Bindeglied zwischen Heinrich Schütz und J. S. Bach darstellt, nun zum fünften Mal kritisch begleiten und dabei ihren Abschluss feiern. Auch jetzt bleibt nichts anderes zu sagen als zum ersten Teil: Das Zusammenspiel zwischen den Vokalisten und dem Instrumentalensemble camerata lipsiensis ist makellos, wohl nicht zuletzt dank der ordnenden Leitung durch Gregor Meyer, hauptberuflich Leiter des Gewandhauschores Leipzig und studierter Kirchenmusiker. Der koproduzierende Sender Deutschlandradio Kultur liefert ein ebenbürtiges, hervorragend transparentes Klangbild.
Detmar Huchting [30.06.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Kuhnau | ||
1 | Kommt, ihr Musen | 00:01:37 |
2 | Von Jacobs doppelter Heyrath (Schauspiel) | 00:18:34 |
9 | Spirate clemens | 00:10:26 |
14 | In einer Parodie eines neuen Peter Sequenzens von lautern Absurdis Comicis | 00:01:14 |
15 | Ach Herr, wie sind meiner Feinde so viel | 00:14:26 |
27 | Ende gut und alles gut | 00:15:47 |
42 | Was der Himmel selbsten liebt | 00:02:22 |
43 | Entferne sich, was Unruh macht | 00:03:05 |
44 | Sacra pellat taeda bella | 00:03:12 |
Interpreten der Einspielung
- Opella Musica (Ensemble)
- Camerata Lipsiensis (Ensemble)
- Gregor Meyer (Dirigent)