Iberian Dances
Juan Carlos Fernández-Nieto
Albéniz • Balakirev • Lyapunov • Machavariani
IBS Classical IBS262021
1 CD • 59min • 2021
05.04.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man wird sich wohl zunächst wundern, wenn eine CD im Titel „Iberische Tänze“ verspricht, und man bei näherem Hinsehen feststellt, dass das gesamte erste Drittel des Programms im Kaukasus angesiedelt ist. Die Zusammenstellung von Werken der Russen Milij Balakirew und Sergej Ljapunow, des Georgiers Aleksi Matschawariani und des Spaniers Isaac Albéniz, die der Pianist Juan Carlos Fernández-Nieto hier vorgenommen hat, erscheint jedoch keineswegs unmotiviert. Alle auf dieser PCD dargebotenen Kompositionen beziehen sich in irgendeiner Form auf volksmusikalisches Vokabular – und letztlich haben die Volksmusikkulturen der iberischen Halbinsel und des Kaukasus mehr gemeinsam, als es angesichts der weiten geographischen Entfernung beider Gegenden voneinander scheinen mag. Byzantiner, Juden, Roma und Mauren – Kulturen des vorderen Orients – haben in der spanischen Musik deutliche Spuren hinterlassen. Bedenkt man dies, rücken Spanien und der Kaukasus plötzlich nahe zusammen.
Intelligente Zusammenstellung
Fernández-Nietos Auswahl bringt Stücke unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Schwierigkeit zusammen. Albéniz' Suite Española op. 47 gehört zum noch überwiegend salonmusikalisch ausgerichteten Frühwerk des Komponisten und umfasst auch Stücke, die technisch von fortgeschrittenen Amateuren bewältigt werden können. Hingegen zählen Balakirews Islamej und die Lesginka aus den 12 Études d'exécution transcendante seines Schülers Ljapunow (der übrigens das Zweite Klavierkonzert Balakirews zu Ende komponiert hat, nicht das Erste, wie im Beiheft zu lesen) zu den schwersten Stücken der Klavierliteratur. Den ruhenden Pol des Programms bildet Der See Basaleti, eine atmosphärische Miniatur des besonders als Symphoniker und Ballettkomponist bekannt gewordenen Matschawariani, auf dessen Schaffen aufmerksam gemacht zu haben Fernández-Nieto durchaus als Verdienst anzurechnen ist.
Über Feinheiten hinweg gespielt
Dass Fernández-Nieto über die nötige Fingerfertigkeit verfügt, selbst die besonders schwierigen Stücke in dem geforderten raschen Tempo zu bewältigen, steht außer Frage. Dennoch lassen seine Aufführungen Wünsche offen. In den Tanzfantasien Balakirews und Ljapunows gelingt es ihm nicht, die Vielschichtigkeit des quasi-orchestralen Tonsatzes adäquat darzustellen. Zahlreiche Details hätten deutlicher herausgearbeitet werden müssen. Beispielsweise hört man kaum die Dialoge zwischen Oberstimme und Mittelstimme im Mittelteil der Lesginka. Auch dynamisch ist hier zu einseitig der Akzent auf ein forsch-virtuoses Spiel gelegt. Die Stücke Albéniz' hinterlassen ebenfalls einen durchwachsenen Eindruck. Schön geraten dem Pianisten die elegant vorgetragenen Nr. 1 und Nr. 4. Doch beachtet er in Nr. 6 und Nr. 7 die dynamischen Kontraste zu wenig, die der Komponist wünscht. Nr. 2 hätte einen beschwingteren Vortrag verdient. In Nr. 3 werden die Eckteile zu hart artikuliert, wohingegen die „maurischen“ Unisoni im Mittelteil blass bleiben. Der Mittelteil in Nr. 5 gelingt gut, doch wirken die stark akzentuierten Akkorde in den Eckteilen zu sehr als isolierte Effekte. Den rhythmischen Reizen gegenüber, die sich in Nr. 8 aus dem Wechsel zwischen Achteln und Achtelduolen im 6/8-Takt ergeben können, bleibt Fernández-Nieto ziemlich gleichgültig.
So schön und intelligent die Idee ist, die dieser CD zu Grunde liegt, so bewirkt doch der über so viele musikalische Feinheiten hinweg spielende Vortrag des Pianisten, dass hier von einer rundum gelungenen Veröffentlichung nicht gesprochen werden kann.
Norbert Florian Schuck [05.04.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Mily Alexejewitsch Balakirew | ||
1 | Islamey op. 18 (orientalische Fantasie) | 00:08:53 |
Sergej Liapunow | ||
2 | Lesghinka h-Moll op. 11 Nr. 10 (aus: Études d'exécution transcendante op. 11) | 00:07:45 |
Aleksandre Machavariani | ||
3 | Lake Bazaleti | 00:04:26 |
4 | Dance | 00:01:06 |
Isaac Albéniz | ||
5 | Suite española op. 47 | 00:36:54 |
Interpreten der Einspielung
- Juan Carlos Fernández-Nieto (Klavier)