Dialogues on Nature
Japan - Germany
MDG 925 2214-6
1 CD/SACD • 71min • 2020
13.08.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit der vorliegenden CD ist das auf Neue Musik spezialisierte Ensemble Horizonte aus Detmold erstmals auch im MDG-Katalog vertreten. Kernpunkte des Programms sind im weiteren Sinne von Natur oder Naturphänomenen inspirierte Kompositionen japanischer und deutscher Komponisten, wobei eine Vielzahl von Querverbindungen unterschiedlicher Art existieren. Aus älterer Zeit stammen Toru Takemitsus Voice für Soloflöte – sicherlich ein Klassiker – sowie ein frühes Werk für Harfe von Toshio Hosokawa (Jg. 1955). Die anderen Werke stammen allesamt aus dem 21. Jahrhundert; vertreten sind die japanischen Komponistinnen Malika Kishino (mit zwei Werken) und Miyuki Ito, beide nunmehr Anfang 50, und (gewissermaßen die deutscher Seite repräsentierend, wobei allerdings auch Kishino seit 2006 in Köln lebt) Ulrich Alexander Kreppein (Jg. 1979) sowie der künstlerische Leiter des Ensembles Jörg-Peter Mittmann, der auch den Begleittext verfasst hat.
Erweiterte Spieltechniken und japanische Tradition
So unterschiedlich die sieben Werke im Ansatz auch sind, gibt es doch neben dem Bezug zur Natur eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Zu nennen wären etwa die Inspiration durch Literatur (Hermann Hesse in Hosokawas Neben dem Fluss, Rilke in Kreppeins Windinnres – Wucherungen, japanische Haikus in Mittmanns Jenseits der Bläue), der Einsatz erweiterter Spieltechniken (besonders prominent in Kishinos Aqua Vitae II) und der menschlichen Stimme kombiniert mit Instrumentalspiel, oftmals im Flüsterton (Takemitsu, Ito, Kreppein) sowie der Einbezug von Geräuschen. Auch traditionelle japanische Musik spielt eine Rolle: so imitiert die Harfe in Hosokawas Neben dem Fluss den Klang eines Kotos; sehr prägnant ist in diesem Werk auch die wesentliche Rolle des einzelnen Tons (und seines Verklingens), die wiederum im Umkreisen des Zentraltons e in Itos Lunar Phases eine Entsprechung findet. Kishinos Lamento zitiert ein japanisches Volkslied, das ebenso wie die quasi-tonal anmutenden Akkordsequenzen in Kreppeins Windinnres – Wucherungen verfremdet erscheint.
Geräusche und Stimmungen
Die titelgebende Inspiration durch die Natur selbst wird auf recht verschiedene Weise realisiert. Kishinos Aqua Vitae II etwa kann der Musique concrète zugerechnet werden und ahmt die mannigfaltigen Varianten der Geräuschhaftigkeit von Wasser in verschiedenster Manier nach, ihr Lamento dagegen gedenkt der Katastrophe von Fukushima. Kreppeins Komposition illustriert die Entstehung von Klängen, Mittmanns Jenseits der Bläue (in dem der Komponist u.a. den Übergang von Blau nach Schwarz sowie in die Unhörbarkeit darstellen will) zielt ähnlich wie Itos Lunar Phases eher auf die Schilderung spezifischer Stimmungen ab. Atmosphärisch besonders dicht und stimmungsvoll (dabei in der Wahl der Mittel auf dieser CD vergleichsweise konventionell) erscheint mir Hosokawas Neben dem Fluss, ein Schwesterstück eines in etwa zeitgleich entstandenen Nocturnes für Koto und im Grunde genommen selbst eine Art Nocturne. In anderen Stücken dominiert letztlich doch eher der experimentelle Charakter, der zuweilen auch die Naturthematik in den Hintergrund rücken lässt.
Das Spiel des Ensembles Horizonte zeichnet sich durch Farben- und Facettenreichtum aus und zeugt von bemerkenswerter klanglicher Sensibilität, was durch die exzellente Klangqualität der CD umso besser zur Geltung kommt. Das Booklet liefert eine gründliche Diskussion von Konzept, Komponisten und Werken und leitet den Hörer mit hilfreichen Anmerkungen (oder Anregungen) zur Charakteristik der einzelnen Stücke.
Holger Sambale [13.08.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Toshio Hosokawa | ||
1 | Neben dem Fluss für Harfe | 00:11:51 |
Jörg-Peter Mittmann | ||
2 | Jenseits der Bläue für Flöte, Klarinette, Harfe, Schlagzeug, Violine, Viola und Violoncello | 00:11:13 |
Malika Kishino | ||
3 | Lamento für Violine und Viola | 00:07:26 |
Toru Takemitsu | ||
4 | Voice für Flöte solo | 00:06:42 |
Malika Kishino | ||
5 | Aqua Vitae II für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Violine und Violoncello | 00:09:13 |
Miyuki Ito | ||
6 | Lunar Phases für Flöte, Viola und Harfe | 00:10:08 |
Ulrich Alexander Kreppein | ||
7 | Windinnres - Wucherungen für Flöte, Klarinette, Fagott, Horn und Streichquartett | 00:14:13 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Horizonte (Ensemble)
- Mirjam Schöder (Harfe)