More Preludes to Chopin
Nocturnes, Waltzes and Other Works
Prima Facie PFCD134
1 CD • 67min • 2018, 2019
06.11.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man kennt den schottischen Pianisten Kenneth Hamilton als Forschergeist, hinter dessen Exzentrik immer ein tiefer künstlerischer Ernst steht. Es schien folgerichtig, dass er nach seiner ersten Chopin-Préludes-CD mit diesem Thema noch nicht fertig war – und auf die nun vorgelegte zweite Veröffentlichung auch noch ein dritter Teil folgen wird. Kein Zufall ist hier der gewählte Titel: „Noch mehr Préludes zu Chopin“. Richtig verstanden: Ein Präludium soll ja immer eine Art Hinführung zu etwas Weiterem sein – vielleicht eine Exposition oder manchmal sogar ein Erprobungsstück, bei dem ein Konzertpianist zu Beginn seines Recitals erstmal die Möglichkeiten des jeweiligen Flügels austesten kann. Auf solche Einordnungen weist Hamilton in seinen detaillierten Begleittexten hin, um dann auf dieser CD Chopins Préludes mit anderen Kompositionen, also Nocturnes, Walzer und der Polonaise-Fantaisie zu kombinieren, inbesondere dort, wo es tonale Verwandtschaften oder andere aufschlussreiche Bezüge gibt. Hinzu kommt, als besondere, hier plausibel sich einfügende Beigabe, ein Variationenzyklus von Ludovic.
Subtile Eleganz
Vieles wirkt gegen den Strich gebürstet, wo in Chopins vielgespielten Kompositionen der brillante, geglättete Bogen oft allzu vertraut wirkt. Kenneth Hamilton weiß, was eine „Runderneuerung“ des Chopin-Spiels in der Gegenwart braucht, wenn er Details aus dem Kontext des Erwartbaren heraus destilliert und auch mal neu gewichtet. Und ja, Hamilton braucht in diesen Präludien nicht die Möglichkeit des Instruments zu testen. Er hat sie sich von vornherein geschaffen: Der Klang des Flügels wurde in Richtung historischer, zu Chopins Zeiten üblicher Gepflogenheiten präpariert. Dadurch ist eine subtile Eleganz stärker als jedes Blendwerk.
Fulminantes Klavierspiel
Was zunächst extravagant wirkt, wird zunehmend plausibel, denn es scheint das Wesentliche in der Komposition noch zu bekräftigen, etwa die gedehnten, oder übersteigerten Tempi und die eigenwillig taumelnden Walzermetren. Das choralartig wirkende Prélude op. 28 Nr. 20 und das abgeklärte Nocturno op. 48 Nr. 1 gehen eine verblüffende Verbindung miteinander ein. Die zerbrechlich-gedämpfte Aura des Prélude op. 28 Nr. 4 überführt Hamilton in den Walzer op. 34 Nr. 2 hinein. Majestätisch macht das Prélude op. 28 Nr. 9 den Weg frei für die kolossale Polonaise-Fantasie op. 61. Hamiltons spieltechnische Finessen sind spektakulär, die beiden Präludien op. 28 Nr. 7 und Nr. 10 lässt er virtuose explodieren, es lebt eine ungestühme scheinbare Gleichzeitigkeit mehrer musikalischer, vor allem rhythmischer Prozesse. Manchmal scheint Hamilton in diesen vielen Stücken Gefahr zu laufen, sich etwas im tief gründelnden Suchen zu verlieren, aber dann entschädigen neue, kostbare Impressionen im Detail schon wieder. Nein, das hier ist kein Chopin für „Einsteiger“ – sondern man ist der neugierigen Ungezähmtheit in Hamiltons Spiel recht bald erlegen.
Stefan Pieper [06.11.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Frédéric Chopin | ||
1 | Prélude c-Moll op. 28 Nr. 20 | 00:01:38 |
2 | Nocturne Nr. 13 c-Moll op. 48 Nr. 1 | 00:05:58 |
3 | Prélude e-Moll op. 28 Nr. 4 | 00:01:44 |
4 | Valse a-Moll op. 34 Nr. 2 | 00:04:38 |
5 | Prélude E-Dur op. 28 Nr. 9 – Largo | 00:01:04 |
6 | Polonaise-Fantaisie As-Dur op. 61 | 00:13:03 |
7 | Prélude b-Moll op. 28 Nr. 16 | 00:01:12 |
8 | Nocturne Es-Dur op. 55 Nr. 2 | 00:04:36 |
9 | Prélude Des-Dur op. 28 Nr. 15 (Regentropfen-Prélude) | 00:05:18 |
10 | Prélude cis-Moll op. 28 Nr. 10 | 00:00:30 |
11 | Valse cis-Moll op. 64 Nr. 2 | 00:02:52 |
12 | Prélude B-Dur op. 28 Nr. 21 | 00:02:08 |
13 | Nocturne Es-Dur op. 9 Nr. 2 | 00:04:20 |
14 | Prélude F-Dur op. 28 Nr. 23 | 00:01:00 |
15 | Introduction et Variations brillants sur "Je vends des scapulaires" B-Dur op. 12 | 00:07:37 |
16 | Prélude C-Dur op. 28 Nr. 1 | 00:00:50 |
17 | Ballade g-Moll op. 23 | 00:08:42 |
Interpreten der Einspielung
- Kenneth Hamilton (Klavier)