Chinese Dreams
Lydia Maria Bader
Ars Produktion ARS 38 566
1 CD • 63min • 2019
03.09.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer reist und dabei empfindsam-neugierig in eine „fremde“ Kultur eintaucht, wird zunächst durch das andersartige, exotische betört, um im nächsten Schritt beglückende Berührungspunkte und Schnittstellen zu erkennen. Wie ein solcher Prozess in Tönen klingt, führt uns die Pianistin Lydia Maria Bader vor. Vor zehn Jahren zog es sie nach China, wo sie ihr eigenes „westliches“ Repertoire auf Konzerttourneen vorstellte. Aber es gehört in China zum Pflichtprogramm für alle ausländischen Gast-Interpreten, auch jeweils ein einheimisches Stück aufzuführen. Der Funke sprang schnell über bei Lydia Maria Bader: Bald wurde aus der Pflicht eine Kür und aus immer mehr einzelnen Zugabenstücken chinesischer Provenienz erwuchs ein CD-Projekt mit Werken größtenteils chinesischer sowie einiger westlicher Komponisten, die in ihrer Tonsprache der Musikwelt im Reich der Mitte sehr nahe stehen.
Maximale Bildkraft
Wer die Stücke von Wang Luobin, Zhang Zhao, Wu Zuqiang, Chu Wanghua oder Wang Jianzhong hört, durchläuft den oben beschriebenen Prozess der Annäherung: Märchenhaft anmutende Pentatonik wirkt als betörende Oberfläche, um dann weiter in ungeahnte Tiefen einzutauchen. Lydia Maria Baders Spiel gönnt sich einen weichen Atem, der weniger auf rasche Schnitte, dafür auf geschmeidige Bögen und maximale Bildkraft angelegt ist. Was nicht ausschließt, auch mal kraftvoll-impulsiv in die Vollen zu gehen. Klar wird: Die Schöpfungen dieser ambitionierten Kunstmusik sind nichts weniger als eine solche, aber es stehen sehr oft uralte, im ganzen Riesenreich bekannte Volkslieder Pate. Tänzerisch verspielt, packend melodiös, aber auch mit trickreichen Harmoniewechseln kommt eine Ballett-Suite namens The Mermaid daher. Abram Chasins Drei chinesischen Stücke antworten auf so viel frohen Überschwang mit einer Portion dramatischer Melancholie. Auch hieraus modelliert Lydia Maria Bader mitreißende atmosphärische Spannungsbögen. Zarte Poesie der leisen Art entfaltet sich in einem Liebeslied aus Sezuan. Walter Niemann hat in „seinen“ Traumdichtungen eigene, in europäischer Romantik verwurzelte imaginäre Vorstellungen vom alten China in eine Suite gekleidet. Lydia Maria Bader lässt hier imaginäre Pagodenglocken leuten, eine Nachtigall singen und spielt schließlich zum Fest im Garten auf.
„Chinese Dreams“ sorgt in jeder Hinsicht für eine verdienstvolle Horizonterweiterung: Wo sich westliche Kulturexporte schon jahrhundertelang einer großen Beliebtheit in Asien erfreuen, wagt Lydia Maria Bader einen überfälligen Schritt in die andere Richtung, um einer kulturellen „Einbahnstraße“ vorzubeugen.
Stefan Pieper [03.09.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Luobin Wang | ||
1 | In that place wholly faraway | 00:05:13 |
Mingxin Du | ||
2 | The Mermaid (Ballettsuite) | 00:07:39 |
Yu Shi Wang | ||
5 | Sunflower | 00:02:21 |
Abram Chasins | ||
6 | A Shanghai Tragedy | 00:03:57 |
7 | Flirtation in a Chinese Garden | 00:02:03 |
8 | Rush Hour in Hong Kong (1925 - aus: Three Chinese Pieces) | 00:01:35 |
Cyril Scott | ||
9 | Lotus Land op. 47 Nr. 1 (1905) | 00:04:04 |
trad. | ||
10 | Kangding Love Song (Volkslied aus Sichuan) | 00:02:16 |
11 | Quiz Song (Volkslied aus Yunnan) | 00:01:17 |
Walter Niemann | ||
12 | Die Glocken der Pagode op. 62 Nr. 1 (Alt-China - Fünf Traumdichtungen op. 62) | 00:04:53 |
13 | Chinesische Nachtigall op. 62 Nr. 2 (Alt-China - Fünf Traumdichtungen op. 62) | 00:04:58 |
14 | Die kleine Li-li-tse op. 62 Nr. 3 (Alt-China - Fünf Traumdichtungen op. 62) | 00:02:36 |
15 | Die heilige Barke op. 62 Nr. 4 (Alt-China - Fünf Traumdichtungen op. 62) | 00:04:36 |
16 | Fest im Garten op. 62 Nr. 5 (Alt-China - Fünf Traumdichtungen op. 62) | 00:03:03 |
Guang Ren | ||
17 | Silver Clouds Chasing the Moon | 00:03:22 |
trad. | ||
18 | Liuyang River (Volkslied aus Hunan) | 00:03:49 |
19 | Glowing Red Morningstar Lilies (Volkslied aus Shanxi) | 00:04:41 |
Interpreten der Einspielung
- Lydia Maria Bader (Klavier)