„An die unsterbliche Geliebte‟
Florian Heinisch
Es-Dur ES 2079
1 CD • 70min • 2019
25.04.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wer in diesem Jubiläumsjahr als Pianist mit Beethoven reüssieren will, muss sich marketingmäßig etwas einfallen lassen. Warum also nicht das Programm mit der „Unsterblichen Geliebten“ in Verbindung bringen? Unter der Voraussetzung, dass diese „Unsterbliche“, Gräfin Josephine von Brunswik war, wofür andere Briefe ausreichend Indizien liefern, gehört das eröffnende – ursprünglich als Mittelsatz der Waldstein-Sonate vorgesehene – Andante favori WoO 57 unbedingt ins Programm. Schließlich besaß die Gräfin das Autograph, das Beethoven sich für die spätere Drucklegung ausleihen musste, damit Ferdinand Ries eine Kopie für den Verleger fertigen konnte. Ob der Anfang aber wirklich „Jo-se-phi-ne“ skandiert, wie Harry Goldschmidt und seine Anhänger behaupten, darf indes bezweifelt werden. Dagegen spricht, dass um 1800 Vornamen gern in ihrer französischen Variante gebracht wurden – Beethoven selbst zeichnete mit „Louis“ und man bedenke die vielen Gallizismen im Rosenkavalier, dessen Libretto das Wienerische des 18. Jhd. imitiert – so dass eine „Jo-se-phin(e)“ wahrscheinlicher sein dürfte. Dies passte dann auch hervorragend auf den Beginn der Es-Dur-Sonate op. 31/3 mit ihrem wie ein Ausrufezeichen wirkenden einleitenden Quintsextakkord, zumal das gesamte op. 31 im Palais ihres Ehemannes, Graf Deym, uraufgeführt wurde. Damit risse aber auch Verbindung zur letzten Bagatelle aus op. 126 und ihre Interpretation als Tombeau sowie der sowieso nur hauchdünne Faden zum Scherzo der Hammerklaviersonate op. 106.
Vielversprechender Anfang
Florian Heinisch spielt das Andante favori sehr elegant und auch schwärmerisch. In diesem pastoralen Menuett en Rondeau stimmen Artikulation, Klangfarben und Timing. Der Platzregen der Oktaven wird nicht zum Wolkenbruch und die in Des-Dur aus der Ferne herüberklingenden Hörner wahren ihr Geheimnis. In den Bagatellen op. 126 gelingt die Verbindung der oftmals heterogenen Einzelelemente famos. Besonders ergreifend in der letzten, wo er es vermag, das „Rufen nach Josephine“ nahtlos in die Trauerwalzer-Motivik zu überführen.
Die Sonate op. 106 auf das Programm einer Debüt-CD zu setzen, zeugt von Mut zum Risiko. Kriterium ist hier die Fähigkeit des Interpreten, das sich endlos dehnende Adagio so mit Sinn zu füllen, dass der Zuhörer nicht den roten Faden verliert und abschaltet. Das gelingt Heinisch in dieser Aufnahme noch nicht, da es ihm im ersten Thema an Kantabilität mangelt. Die Begleitakkorde ab T. 25 geraten zum um-pah-pah, statt zum auslösenden Pendel der sich aufschwingenden – hier zu hektisch wirkenden – ekstatischen Violinmelodie zu werden. Die Introduktion zum Fugenfinale, das bewältigt, aber nicht souverän gestaltet wirkt, ist eine aufgeschriebene Improvisation, die spontan wirken muss. Die genaue Befolgung des Texts wirkt an dieser Stelle unorganisch. Von den jüngeren Pianisten fanden Paul Lewis und Nelson Görner in diesen Sätzen zu weitaus überzeugenderen Lösungen. Kopfsatz und Scherzo bereiten jedoch auch in der vorliegenden Einspielung große Freude.
Die Klangtechnik bewegt sich auf gutem Rundfunkstudio-Niveau. Der Booklet-Text beschäftigt sich mit Biographischem. Fazit: Ein durchaus vielversprechendes Debüt-Album eines jungen Pianisten mit viel Licht, jedoch auch einigen Schatten.
Vergleichsaufnahmen: Nelson Goerner (harmonia mundi France) - Paul Lewis (harmonia mundi France).
Thomas Baack [25.04.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Andante favori F-Dur WoO 57 | 00:07:39 |
2 | Bagatelle op. 126 Nr. 1 – Andante con moto cantabile e compiacevole | 00:02:45 |
3 | Bagatelle op. 126 Nr. 2 – Allegro | 00:02:22 |
4 | Bagatelle op. 126 Nr. 3 – Andante cantabile e grazioso | 00:02:37 |
5 | Bagatelle op. 126 Nr. 4 – Presto | 00:03:59 |
6 | Bagatelle op. 126 Nr. 5 – Quasi Allegretto | 00:02:05 |
7 | Bagatelle op. 126 Nr. 6 – Presto - Andante amabile e con moto | 00:05:07 |
8 | Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 (Hammerklaviersonate) | 00:42:52 |
Interpreten der Einspielung
- Florian Heinisch (Klavier)