Musik aus Schloss Wolfenbüttel IV
Johann Theile: Passio Domini nostri Jesu Christi
cpo 555 285-2
1 CD • 61min • 2019
09.03.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Johann Theile (1646-1724), in Naumburg an der Saale geboren, steht als Komponist zwischen den beiden größten deutschen Meistern des 17. Jahrhunderts: Er gehörte zu den letzten Schülern von Heinrich Schütz (1585-1672), und Dieterich Buxtehude (1637-1707), der zwar neun Jahre älter war und weit vor ihm starb, war nach Theiles eigener Einschätzung sein wichtigster Schüler – so bezeugte es Johann Mattheson.
Seine 1673 in Lübeck veröffentlichte Matthäuspassion erklingt auf dieser CD; Heinrich Schütz hatte bereits 1653 seine Lukas-Passion und 1665-66 die Johannes- und Matthäus-Passion geschrieben. Die waren freilich noch rein vokal – bei Theile konnte bereits eine moderate Streicherbegleitung das Werk begleiten und instrumental ausmalen. Angesichts der strengen Regeln für die „stille Woche“ von Palmsonntag bis Karsamstag, während derer eigentlich die Kirchenmusik zu schweigen hatte, ist diese Ausstattung der Passionsmusik mit einem Instrumentalensemble als eine Lockerung der Vorschriften für die Karwoche zu verstehen. Dennoch blieben Einschränkungen für die Passionsmusik noch lange bestehen, in Hamburg konnte Reinhard Keiser ein halbes Jahrhundert später nur wagen, in seinen Passionen Sängerinnen für die hohen Solopartien auftreten zu lassen, weil er Kantor am Hamburger Dom war, und dort waren die Regeln freier, denn der Dom stand als ehemalige Bischofskirche nicht unter der Herrschaft des geistlichen Regiments der freien Hansestadt. Auf der anderen Seite musste Johann Sebastian Bach vor seinem Dienstantritt als Leipziger Thomaskantor dem Consistorium der Messestadt vertraglich zusichern, dass seine geistlichen Kompositionen „nicht zu opernhaft herauskommen“ würden.
Betrachtungen zur Passion Jesu
Theiles Matthäuspassion verbindet geistliche Musik mit dramatischen Effekten, dazu kommen in die biblische Erzählung eingeschobene Arien auf Texte, die liedhaft gestaltet durchaus als gläubige Betrachtungen zur Passion Jesu verstanden werden können. Das ist eine weitere Distanz zu einer streng liturgischen Rezitation des biblischen Textes, die deutlich in Richtung der großen Passionsoratorien von Bach, Keiser, Händel und manch anderem weisen, deren Aufführungen fünfzig Jahre später die evangelischen Gottesdienste der Passionszeit charakterisierten.
Manfred Cordes und sein Ensemble Weser-Renaissance haben sich bereits in einer beeindruckenden Diskographie als engagierte und höchst stilsichere Interpreten von Musik des ausgehenden Mittelalters bis zum Barock erwiesen. Sie stellen ihre außerordentliche Qualität auch hier unter Beweis – ohne auch nur die geringste Übertreibung gelingt ihnen eine höchst lebendige Darstellung dieser traditionellen Mustern zwar verbundenen, aber dennoch die Tore zu neuen Entwicklungen aufstoßenden Passionsmusik. Bemerkenswert ist die Begleitung durch das aus 2 Violinen und 3 Gamben bestehende Streicherconsort, hierdurch gewinnen die Affekte, die das Passionsgeschehen auslöst, zusätzlich an Intensität.
Detmar Huchting [09.03.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Theile | ||
1 | Passio Domini nostri Jesu Christi (Matthäus-Passion) | 01:01:09 |
Interpreten der Einspielung
- Weser-Renaissance (Ensemble)
- Manfred Cordes (Dirigent)