Japan
SWRclassic SWR19079CD
1 CD • 68min • 2018
04.09.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit japanischen Chorkompositionen der Nachkriegszeit, in denen sich japanische Traditionen mit Techniken der europäischen Avantgarde verbinden, führt uns das SWR Vokalensemble Stuttgart in eine noch weitgehend unbekannte, aber faszinierende Klangwelt. Dabei sind die gewählten musikalischen Formen dem europäischen Hörer einfacher zugänglich als die gesungenen Texte, die sich ohne Kenntnis ihrer kulturellen Voraussetzungen und Konnotationen nur schwer erschließen. Zudem wird Sprache hier oft zum bloßen Lautmaterial, geht losgelöst von der semantischen Bedeutung in reinen Klang auf. So wird man bei Die Lotosblume für gemischten Chor und Schlagzeug von Toshio Hosokawa (Jg. 1955) erst einmal nicht an das zugrunde liegende Gedicht Heinrich Heines oder dessen Vertonung durch Robert Schumann denken. Summlaute, Atemgeräusche und Windglöckchen evozieren eine nächtliche Naturstimmung, die in ein meditatives Ritual übergeführt wird.
Jō Kondō (Jg. 1947) greift in seiner Motette im Zeichen der Rose für zwölfstimmigen gemischten Chor (2011) auf geistliche Chorwerke des 15. Jahrhunderts zurück (insbesondere auf Johannes Ockeghem), in denen die Musik das Ziel hatte, die konkreten Inhalte der Texte zu „verbergen“; der Begriff „unter der Rose“ stand als Metapher für „Geheimnis, Verschwiegenheit“. Das muß man wissen, um Zugang zu dem Werk zu finden.
Einfacher tut sich der Hörer mit denjenigen Gesängen, die auf japanische Volksmusik zurückgehen. Das ist etwa in drei Liedern von Tōru Takemitsu der Fall, aber auch im letzten Stück seines Zyklus Windpferd („Legende vom Esstisch“), das bei uns Assoziationen an alpenländische Folklore weckt. Michio Mamiya (Jg. 1929) schließlich hat die Volksmusik zu einer hauptsächlichen Inspirationsquelle gemacht. Wie vor ihm Bartók und Kodály hat er sie gesammelt und transkribiert. Seine Composition for Chorus NoI ist das beeindruckendste Werk der Sammlung, weil hier die vokalen Äußerungen weit über herkömmlichen Gesang hinausgehen: In den Anfeuerungsrufen der Holzfäller, in den onomatopoetischen Abbildungen vom Spiel der Trommeln und anderer Instrumente und im Silbenspiel der Wiegen- und Kinderlieder.
Hier sind die Sänger des SWR Vokalensembles unter ihrem langjährigen Leiter Marcus Creed ganz in ihrem Element. Sie erweisen sich, wie auch in den anderen Werken, als wahre Stimmvirtuosen. Jeder von ihnen ein potentieller Solist, bilden sie ein homogenes Ensemble und schaffen mit traumhaft sicherer Musikalität und ebensolchem Stilgefühl eine bezwingende Atmosphäre.
Ekkehard Pluta [04.09.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Toshio Hosokawa | ||
1 | Die Lotosblume | 00:11:05 |
Toru Takemitsu | ||
2 | Windpferd | 00:19:54 |
6 | Legende vom Esstisch | 00:05:15 |
Michio Mamiya | ||
7 | Composition for Chorus Nr. 1 | 00:15:24 |
Toru Takemitsu | ||
11 | Kirschblüten | 00:03:57 |
12 | Wings | 00:02:30 |
Jō Kondō | ||
13 | Motette im Zeichen der Rose | 00:09:34 |
Toru Takemitsu | ||
14 | Small Sky | 00:05:35 |
Interpreten der Einspielung
- SWR Vokalensemble Stuttgart (Chor)
- Marcus Creed (Dirigent)