Christoph Graupner
Das Leiden Jesu • Passion Cantatas III
cpo 555 230-2
1 CD • 69min • 2016, 2018
01.07.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Einschüchternde 1750 Kompositionen von Christoph Graupner lassen sich auf der Online-Plattform IMSLP.org zum gegenwärtigen Zeitpunkt einsehen. Um die 2000 Werke sollen es so ungefähr sein, darunter abendfüllende Opern, gut 200 ausgewachsene Orchesterstücke und über 1400 Kantaten, zum größten Teil erhalten im Bestand der Universitäts- und Landesbibliothek zu Darmstadt, wo Graupner (1683 – 1760) die meiste Zeit wirkte. Selbst, wer der Musik von Bach, Haydn und Mozarts auf immer entsagte, bräuchte ein ganzes, langes, gesundes Leben, um sich hier nur einen Überblick zu verschaffen. Gut, dass es die Graupner-Gesellschaft gibt, die auch diese Produktion gefördert hat.
Auch die Hochkonjunktur barocker und frühklassischer Musik der letzten Jahre und Jahrzehnte, die sich mit Verve gerade über Jahrhunderte hinweg vernachlässigter Komponisten widmet, hat ihren Anteil. Es gibt Gründe, diesen Boom auch kritisch zu sehen: Wer kennt schon alle Werke von Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart? Und ist es, solange man diese noch nicht kennt, nicht nachrangig, sich etwa mit Johann Ludwig Bach, Michael Haydn und Leopold Mozart oder eben all den Keisers, Hasses und Graupners zu beschäftigen? Diese Ansicht vertritt der Autor dieser Zeilen – und ist doch über 70 Minuten nicht vom vorliegenden Album mit drei umfangreichen Passions-Kantaten Graupners losgekommen. Es wurde dann gleich noch ein zweites Mal aufgelegt.
Dies ist die dritte Produktion der Musiker um den Ensembleleiter Florian Heyerick, die sich Graupners Passionszyklus‘ von 1741 annimmt, den dieser auf Texte des gebürtigen Darmstädter Poeten Johann Conrad Lichtenberg (1689–1751, nicht zu verwechseln mit dem Aphoristiker Georg Christoph) verfasste. Die erste Aufnahme entstand 2016, die zweite 2017, die dritte, nun vorliegende, 2016 bzw. 2018. Bereits diese lange Zeitspanne verrät eine sorgfältige Vorgehensweise, die angesichts des gigantischen Œuvres des Komponisten nicht in Hektik verfällt.
So können diese drei Kantaten ihre zweifellos originellen Züge in großer Ruhe erblühen lassen: Auch ein eiliges Tempo wie im Eingangschor zu „Sie rüsten sich wider die Seele“ GWV 1124/41 wird frei schwingend eingehängt, in der Sopran-Arie (Track 10) fasziniert eine ausgesuchte Klangwelt mit körperlosen Pizzicati und zitternden Tremoli der Streicher, einem herrlich knarzenden Fagott und einer exzellenten Sopranistin, Doerthe-Maria Sandmann, die so historisierend stilsicher wie vergegenwärtigend expressiv singt. Auch die Sänger des Ensembles Ex Tempore und die Musiker des Barockorchesters Mannheimer Hofkapelle erfüllen mühelos die hohen Standards, die in der Alte-Musik-Szene heute gelten. Doch Florian Heyerick wagt mehr: Er spürt in jedem der drei Werke ebenso dem stellenweise inbrünstigen geistlichen Sinn, dem kompositorischen Ehrgeiz Graupners und vor allem dessen Talent für besondere Klangwirkungen nach. Der Barockboom, hier hat er tatsächlich Juwelen zu Tage befördert.
Prof. Michael B. Weiß [01.07.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Christoph Graupner | ||
1 | Kommt, Seelen, seid in Andacht stille GWV 1119/41 (Die erbauliche Anschickung unsers Erlösers zu seinem letzten Leiden, Kantate zum Sonntag Estomihi) | 00:23:09 |
8 | Sie rüsten sich wider die Seele GWV 1124/41 (Die ungerechte Verdammung des gerechten Heilandes, Kantate zum Sonntag Judica) | 00:20:54 |
15 | Jesus, auf dass er heiligte das Volk GWV 1126/41 (Das Leiden Jesu auf Golgatha, Kantate zum Gründonnerstag) | 00:25:19 |
Interpreten der Einspielung
- Solistenensemble Ex Tempore (Ensemble)
- Barockorchester Mannheimer Hofkapelle (Orchester)
- Florian Heyerick (Dirigent)