Brückenschlag
DKN 5088 JS
1 CD • 47min • 2015
30.05.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der „Brückenschlag“ dieser gleichnamigen CD ist eigentlich ein Heimspiel: Lajos Dudas, ein in Ungarn geborenener Klarinettist, lebte und wirkte jahrzehntelang in Neuss, etwa als Musikpädagoge an der dortigen Musikschule und war auch immer als zuverlässiger musikalischer Partner der Neusser Kammerakademie geschätzt. Aktuell lebt der soeben 75 Jahre alt gewordene Lajos Dudas am Bodensee. Im Jahr 2005 kam es zu einem denkwürdigen Konzert mit der von Leo Siberski dirigierten Kammerakademie Neuss, welches jetzt vom jazzsick-Label herausgebracht wurde.
Hier fügt sich zusammen, was via Konvention normalerweise nicht zusammen gehört: Da werden zu Beginn Anton Weberns Fünf Sätze für Streichorchester mit drei sehr persönlich gehaltenen Jazz-Intermezzi von Lajos Dudas kontrastiert – vermutlich hätte der ehrwürdige Adorno in einem solchen Brückenschlag ein schlimmes Sakrileg gesehen! Aber Dudas und die Neusser Kammerakademie sehen dies hörbar unverkrampft. Blitzende Tremoli der Streicher atmen einen aufrührerischen Fortschrittsgeist. Weberns fünf Miniaturen lassen es nur so funkeln und knistern und bündeln ein Maximum an Ausdruckskraft. Im nächsten Moment „antwortet“ der Jazz mit seinen eigenen Potenzialen und dies in einer verblüffenden Direktheit: Dudas setzt drei Jazz-Intermezzi dagegen, deren direkter Bezug zu den Webernschen Ideenkonzentraten unüberhörbar ist. Dudas Klarinettenspiel braucht nur wenige Töne, um alles in sinnlich leuchtende Farben zu tauchen – ebenso, um das Orchester in wenigen Minuten zu treibender rhythmischer Geste anzustacheln.
Lajos Dudas hat während seiner produktiven Neusser Jahre vielen jüngeren Talenten maßgebliche künstlerische Anregungen geliefert, etwa dem viel jüngeren Gitarristen Philipp van Endert, der auf dieser CD eine ihm würdige musikalische Rolle ausfüllt. Philipp van Enderts Saitenspiel zeugt von sensiblem Unterstatement, das in seiner Ökonomie mit den Tönen jedem überspannten „Zuviel“ eine Absage erteilt. Lässig, cool, unaufgeregt aber hochpräsent geben die Riffs, Licks und Improvisationen dem intensiven Klarinettenspiel von Lajos Dudas ein solides Fundament oder denken es in beredten solistischen Geschichten weiter. Ähnlich vital spielen Lajos Dudas weitere Mitstreiter auf, als das wären Martin Gjakanovski am Bass und Schlagzeuger Kurt Billker.
Nach dem ausgiebigen Eröffnungsstück liefert die folgende Komposition Hungarian Sketches einen lyrischen Ruhepool. Sphärische Flagolettöne auf den Saiten eröffnen ein impressionistisches, später lyrisch-romantisches Panorama, das Lajos Dudas unmittelbar an Béla Bartók angelehnt hat.
Zum Finale dieser hellhörigen Begegnung zwischen Jazz und Sinfonik vereint eine viersätzige Ballettmusik noch einmal alle Gegenpole zur Synthese: Jetzt legen die Beteiligten noch einmal einen Gang zu, damit sich Kammermusik und Jazzdidiomatik mit höchster Flexibilität gegenseitig durchdringen. Selten gelingt der „klassischen“ Zunft ein solches Unterfangen derart selbstverständlich und geschmeidig wie hier.
Stefan Pieper [30.05.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Anton Webern | ||
1 | Fünf Sätze op. 5 (Bearb. für Streichorchester) | 00:19:50 |
Béla Bartók | ||
2 | Hungarian Sketches Sz 97 BB 103 (1931) | 00:11:00 |
Lajos Dudas | ||
3 | Balletmusic in Four Sets | 00:16:02 |
Interpreten der Einspielung
- Lajos Dudas (Klarinette)
- Philipp van Endert (Gitarre)
- Martin Gjakonovski (Kontrabass)
- Kurt Billker (Drums)
- Deutsche Kammerakademie Neuss (Orchester)
- Leo Siberski (Dirigent)