Yevgeny Sudbin plays
Medtner & Rachmaninov
BIS 1848
1 CD/SACD stereo/surround • 60min • 2009, 2012
17.02.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Yevgeni Sudbin ist nicht nur einer der großartigsten, feinsinnigsten Pianisten unserer Zeit, sondern auch einer der besten Musiker. Dies bestätigt auch vorliegende Aufnahme in schlagender Weise. Er serviert uns hier ein zweiteiliges Recital, wo einer dramaturgisch sehr sinnfällig angeordneten Abfolge von Stücken Nikolai Medtners sechs Préludes Sergej Rachmaninoffs (op. 23 Nr. 4 & 5, op. 32 Nr. 5, 6, 12 & 13) folgen – auch diese in kontrastsicher und stringent aufeinander abgestimmter Weise.
Medtner ist bis heute fast eine Art Geheimtipp, der zwar in Pianistenkreisen hoch gehandelt wird, jedoch das breite Publikum nur ungefähr einmal pro Schaltjahr erreicht. Rachmaninoff erklärte seinen Freund Medtner unumwunden zum „bedeutendsten Komponisten unserer Zeit“. Das muss man nicht wörtlich nehmen, doch zweifellos stimmt die Qualität in jeder Hinsicht. Sudbin hat den sehr lesenswerten, teils auch amüsanten und durchaus persönlich gehaltenen Booklet-Essay selbst verfasst, und man kann ihm nur beipflichten, dass die beiden Komponisten bei aller Nähe und Verbundenheit in ihrem Wesen unterschiedlicher kaum sein könnten: hier der in sich gekehrte, ländliche Poet Medtner, dort der im schönsten Sinne mondäne, die Herzen der Welt erobernde Rachmaninoff. Brillant und echt sind sie beide, doch die Art der Wirkung bestimmte eindeutig den Erfolg.
Von Medtner spielt Sudbin den Prolog zu den Stimmungsbidern op. 1, drei der Märchen (jener von Medtner neu begründeten und reich bedachten Gattung, für die er vor allem bekannt ist), sowie die Canzona matinata und zwei seiner einsätzigen Sonaten. Canzona matinata und Sonata tragica fungieren ursprünglich als zusammenhängender Abschluss des 2. Zyklus der Vergessenen Weisen op. 39, und die legendäre Sonata reminiscenza – vielleicht das introvertierteste Stück der gesamten erstzunehmenden Klavierliteratur – eröffnete den ersten Zyklus der Vergessenen Weisen op. 38 (die drei Zyklen entstanden 1918-22). Sudbin mischt die Werke in intuitiv folgerichtiger Weise, er umgibt die Sonata reminiscenza mit extrovertierteren Stücken und schließt mit der Sonata tragica ab. Wohl kein berühmter Musiker unserer Zeit hat sich so liebevoll mit Medtners Werk auseinandergesetzt, und obendrein verfügt Sudbin nicht nur über eine makellose Technik, sondern auch über die subtilen Ausdrucksmittel, all dies verzaubernd und fesselnd organische Gestalt werden zu lassen. Manchmal wünschte ich mir eine noch weitschauendere Verhaltenheit bei zunehmender Erregung, und nicht immer sind die dynamischen Vorgaben wirklich umgesetzt, auch lässt sich der eine und andere Moment einer leichten agogischen Willkür erspüren, was freilich nie Produkt selbstgefälliger Orientierungslosigkeit ist, sondern vielleicht auch einfach mit der Übermacht pianistischer Traditionen zu tun hat. Gleiches gilt auch im vortrefflich gespielten Rachmaninoff. Diese kleinen Einwände sind auf höchstes Niveau bezogen! Ganz offen, ich wüsste niemanden heute, der diese Stücke herrlicher vorzutragen verstünde als Sudbin, und ohne jedes Zögern ist hier von Referenzaufnahmen zu sprechen, was auch für die vorzügliche, fast schon ideal zu nennende Klangtechnik gilt. Ein großartiges Album, ein pianistisches und musikalisches Fest in jeder Hinsicht.
Christoph Schlüren [17.02.2016]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Nicolai Medtner | ||
1 | Stimmungsbilder op. 1 | 00:03:45 |
2 | Fairy Tale A major op. 51 No. 3 | 00:03:24 |
3 | Sonata Reminiscenza op. 38 Nr. 1 | 00:13:09 |
4 | Fairy Tale b flat minor op. 20 No. 1 – Allegro con espressione | 00:02:37 |
5 | Fairy Tale f minor op. 26 No. 3 | 00:02:31 |
6 | Canzona matinata op. 39 Nr. 4 | 00:04:01 |
7 | Sonata tragica c minor op. 39 No. 5 | 00:09:50 |
Sergej Rachmaninow | ||
8 | Prelude D-Dur op. 23 Nr. 4 – Andante cantabile | 00:04:02 |
9 | Prelude g-Moll op. 23 Nr. 5 – Alla marcia | 00:03:38 |
10 | Prélude G-Dur op. 32 Nr. 5 – Moderato | 00:02:41 |
11 | Prélude f-Moll op. 32 Nr. 6 – Allegro appassionato | 00:01:21 |
12 | Prelude gis-Moll op. 32 Nr. 12 – Allegro | 00:02:18 |
13 | Prélude Des-Dur op. 32 Nr. 13 – Grave - Allegro | 00:04:40 |
Interpreten der Einspielung
- Yevgeny Sudbin (Klavier)