The Hilary Hahn Encores
DG 479 1725
2 CD • 1h 50min • 2012, 2013
19.03.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Hilary Hahn zählt zu den herausragenden, souveränsten, tonlich bestechendsten Geigern unserer Zeit. Für diese besondere Einspielung fand sie mit dem jungen Pianisten Cory Smythe einen wunderbar ebenbürtigen, hochkultivierten Partner von äußerster Geschmeidigkeit, Witz und Präsenz. Im Booklet schreibt sie, das hier vorgestellte Programm – 27 Zugabestücke, die zeitgenössische Komponisten für sie geschrieben haben – sei zunächst ein Traum gewesen. Dass sie dann alleine für das letzte Stück gut 400 Einsendungen erhielt, spricht für sich – vielleicht wäre da ja noch manches weitere Stück darunter, das es rein qualitativ in die vorliegende Auswahl von 27 Encores hätte schaffen können. Jedenfalls ist es Hilary Hahn mit dieser Aktion gelungen, einige bemerkenswerte neue Kleinode für die Violin-Klavier-Duo-Literatur zu akquirieren.
Herausragende Beiträge zu diesem Doppelalbum leisteten die 1947 geborene Aserbaidschanerin Franghis Ali-Zade (ihr ‚Impulse’ ist das klug gewählte Eröffnungsstück), die Altmeister Paul Moravec (‚Blue Fiddle’) und Anton García Abril (‚Third Sigh’), der 1953 geborene Christos Hatzis (‚Coming To’), die 1967 geborene Kala Ramnath (‚Aalap and Tarana’, eine Evokation echt indischen Geigenstils, die Hilary Hahn hinreißend umsetzt) und die 1952 geborene Tina Davidson (‚Blue Curve of the Earth’) – allesamt sehr originelle Miniaturen, die auch hinsichtlich der Form sehr gut funktionieren. Auch Du Yun (‚When a Tiger Meets a Rosa Rugosa’), Jennifer Higdon (‚Echo Dash’), Jeff Myers (‚The Angry Birds of Kauai’) und der Däne Søren Nils Eichberg (‚Levitation’) sind mit sehr interessanten und lebendigen Werken vertreten.
Eine besonders häufig anzutreffende Angelegenheit ist die Elegie in unterschiedlichsten Abtönungen, doch stets nostalgisch träumerisch zurückweisend in verflossene Zeiten. Unter diesen Elegien erscheint mir jene des 1947 geborenen Japaners Somei Satoh (‚Bifu’) am apartesten, diejenige des unverblümten Neoromantikers David Del Tredici (‚Farewell’) ist das Traditionellste und geigerisch unmittelbar Eingängigste auf dem Album, daneben gilt dies natürlich auch für die ‚Two Pieces’ von Valentin Silvestrov in der von ihm bekannten Art. Lera Auerbachs ‚Speak, Memory’ ist effektiv geschrieben im Aufstieg in höchste Lagen, aber als Form weniger markant. Sehr knapp und lyrisch, mit großer harmonischer Mannigfaltigkeit wie stets, gibt sich Einojuhani Rautavaara mit ‚Whispering’ die Ehre, einer absolut schlüssigen A-B-Form. Von feinzeichnerisch reduzierter Eindringlichkeit der Linie ist Bun-Ching Lams ‚Solitude d’automne’, und auch Gillian Whiteheads ‚Torua’ und Michiru Oshimas ‚Memories’ vermögen den Hörer zu verzaubern, wenn dies in so subtiler Weise vollbracht wird wie durch Hilary Hahn und Cory Smythe (natürlich steht die Geige in diesen Stücken meist mehr im Vordergrund…). Die mit riesigem Abstand schlechteste Nummer ist die abschließende: Max Richters vollendet nichtssagendes ‚Mercy’, ein auf der Stelle tretendes Muster an Einfallslosigkeit – ja, auch eine Miniatur kann öde und endlos lang sein… Ich vermute, dass dies vielleicht Hilary Hahns Tribut an die Fashion-betonten Wünsche des Labels war.
Dann ist da das mehr rhythmisch betonte Grundmuster, das sich vorzüglich eignet, um nicht in der Schwermut aufeinander folgender Elegien verloren zu gehen. David Langs ‚Light Moving’ ist ein eher unbedeutendes Stück Minimal Music. Doch dann kommt Avner Dorman mit dem knackig funkigen Figurenspiel seiner ‚Memory Games’, Mason Bates in ‚Ford’s Farm’ mit authentischem Bluegrass-Feeling, und der renommierte Filmkomponist James Newton Howard mit einem überraschend erfrischenden ‚133… At Least’.
Nico Muhlys ‚Two Voices’ sind als Tonsatz eher etwas statisch zelebriert, gleichwohl durchaus die Aufmerksamkeit des Hörers bündelnd, und Mark-Anthony Turnage bietet mit ‚Hilary’s Hoedown’ in abgefeimter Präzision genau das, was man von ihm erwarten konnte. Mit Richard Barrett (‚shade’) und der wilden Gebärdensprache Elliott Sharps (‚Storm oft he Eye’) ist auch die etablierte Avantgarde vertreten. Die Mischung ist rundweg gelungen, die Kontraste stimmen, die Dramaturgie der beiden CDs ist so angelegt, dass man sie durchhören möchte. Ein Fest für abenteuerlustige Geigenfreunde, auch tontechnisch vom Allerfeinsten.
Christoph Schlüren [19.03.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franghiz Ali-Zadeh | ||
1 | Impulse | 00:06:01 |
Somei Satoh | ||
2 | Bifu | 00:04:58 |
Du Yun | ||
3 | When A Tiger Meets A Rosa Rugosa | 00:05:30 |
David Lang | ||
4 | Light moving | 00:02:55 |
Bun-Ching Lam | ||
5 | Solitude d'automne | 00:04:12 |
Paul Moravec | ||
6 | Blue Fiddle | 00:04:53 |
Antón García Abril | ||
7 | Third Sigh | 00:03:23 |
Avner Dorman | ||
8 | Memory Games | 00:05:01 |
David Del Tredici | ||
9 | Farewell | 00:05:01 |
Mason Bates | ||
10 | Ford's Farm | 00:03:19 |
Einojuhani Rautavaara | ||
11 | Whispering | 00:02:48 |
Gillian Whitehead | ||
12 | Torua | 00:04:13 |
Richard Barrett | ||
13 | Shade | |
Jennifer Higdon | ||
14 | Echo Dash | 00:02:17 |
CD/SACD 2 | ||
Christos Hatzis | ||
1 | Coming To | 00:03:16 |
Jeff Myers | ||
2 | The Angry Birds of Kauai | 00:04:01 |
Mark-Anthony Turnage | ||
3 | Hilary's Hoedown | 00:02:01 |
Valentin Silvestrov | ||
4 | Two Pieces | 00:04:58 |
Kala Ramnath | ||
5 | Aalap And Tarana | 00:03:16 |
Lera Auerbach | ||
6 | Speak, Memory | 00:03:17 |
Tina Davidson | ||
7 | Blue Curve of the Earth | 00:04:53 |
Elliott Sharp | ||
8 | Storm Of The Eye | 00:04:55 |
Michiru Ohshima | ||
9 | Memories | 00:03:56 |
James Newton Howard | ||
10 | 133 At Least | 00:02:10 |
Nico Muhly | ||
11 | Two Voices | 00:04:58 |
Sören Nils Eichberg | ||
12 | Levitation | 00:04:13 |
Max Richter | ||
13 | Mercy | 00:05:32 |
Interpreten der Einspielung
- Hilary Hahn * 1979 (Violine)
- Cory Smythe (Klavier)