Julia Fischer
Pablo de Sarasate
Decca 478 5950
1 CD • 68min • 2013
01.04.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Obwohl sein Name für Virtuosenfutter von eher diskutabler Substanz steht, ist Pablo de Sarasate in der Musikgeschichte nie vergessen worden – im Gegensatz zu einer ganzen Armee von Komponisten, die weitaus ernsthaftere Werke vorgelegt haben. Offenbar ist doch etwas an ihm dran. Dass Sarasate nicht nur für die obligatorische Zugabe gut ist, legen gleich einige Platten nahe, die in den letzten Jahren immerhin exklusiv diesem komponierenden Geiger gewidmet wurden. Eine Sammlung von Operntranskriptionen mit Volker Reinhold und Ralph Zedler, erschienen bei MDG, wurde vor kurzem an dieser Stelle besprochen (Pablo de Sarasate, "Opera Phantasies", MDG 15.01.2014); ein wenig litt diese Produktion darunter, dass der Geiger kein virtuoser Überflieger war. Allzu brav sollten Sarasates Werke nicht gespielt werden.
Auftritt Julia Fischer. Wer die in München geborene und teils auch ausgebildete Geigerin je im Konzert gehört hat, wie sie mit ganzem Körpereinsatz an einer Melodie schier verglüht, wird keinen Zweifel daran haben, dass sie Sarasates Genrestücklein zum Strahlen bringen kann. Tatsächlich werden in diesem Programm auch höchste Erwartungen nicht enttäuscht. Julia Fischer brennt ein wahres Feuerwerk ab, die Kunststücke umfassen irisierendes Flageolettspiel, blitzsaubere Doppelgriffe, unwirkliches Spiel in der höchsten Lage, sattes, spreißelnde Doppelgriffe, schauerliche Oktavglissandi, schließlich die unmittelbar anspringenden, hart angeschlagenen Akkorde gegen Ende der Serenata andaluza, die den Hörer so elektrisieren – und vieles mehr. In all diesen Momenten steht Julia Fischer vollkommen über den Schwierigkeiten, sie wirkt zwar nicht gerade überheblich, aber doch unbeeindruckt – und genau so muß das gespielt werden (dass sie darüber hinaus auch noch eine bedeutende Pianistin ist, trägt zum Ruf des Wunderbaren bei, gehört jedoch nicht hierher).
Mindestens so entscheidend jedoch wie die Showeffekte ist das, was dazwischen passiert. Vielleicht ist der eigentliche Glücksfall dieser Produktion, dass Julia Fischer über die tonliche Eleganz, den Schmelz, den vollkommenen Geschmack verfügt, auch die Melodien bis zum Bersten mit Leben zu erfüllen. Man höre etwa die unwiderstehliche Leidenschaft des Canto del ruisenor op. 29, die in dem biegsamen Spiel voller melodischer Süße enthalten ist: hier agiert eine violinistische Sängerin. Das Rückgrat des Programms sind die vier Sammlungen mit spanischen Tänzen op. 21 – 23 und 24 – die CD hat also auch diskographischen Wert -, in denen die Artikulations- und Phrasierungskünste von Julia Fischer en detail verfolgt werden können.
Ein weiterer großer Vorzug dieser Produktion ist die Pianistin Milana Chernyavska, eine echte Solistin, die das überhaupt Mögliche herausholt aus den simplen Begleitungen, welche meist nur aus Vor- und Nachschlag bestehen; diese jedoch spielt Chernyavska als harmonische, im Ansatz sogar melodische Progressionen und belebt sie damit gegenüber ihrer scheinbaren Funktion, bloß begleitende Kulisse zu geben. Einige Augenblicke gibt es sogar, da tritt die Violine gegenüber dem Klavier zurück, wenn etwa Julia Fischer in der Jota aragonesa op. 27 die Pizzicati, wie vorgeschrieben, pianissimo, ausführt, auch, wenn das auf Kosten des Effektes geht. Die beiden Musikerinnen hören aufeinander, sie nehmen auch diese Genremusik ernst, kurz, sie machen echte Kammermusik – eine unerwartete Pointe für ein Album voller Virtuosenfutter.
Prof. Michael B. Weiß [01.04.2014]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Pablo Sarasate | ||
1 | Vito op. 26 Nr. 7 | 00:05:36 |
2 | Habanera op. 26 Nr. 8 | 00:05:00 |
3 | Jota aragonesa op. 27 | 00:04:48 |
4 | Serenata andaluza op. 28 | 00:06:01 |
5 | El canto del ruiseñor op. 29 | 00:08:24 |
6 | Malagueña op. 21 | 00:04:17 |
7 | Habanera op. 21 Nr. 2 | 00:04:13 |
8 | Romanza Andaluza op. 22 Nr. 1 | 00:04:18 |
9 | Jota Navarra op. 22 Nr. 2 | 00:04:33 |
10 | Playera op. 23 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:04:06 |
11 | Zapateado op. 23 Nr. 2 | 00:03:16 |
12 | Caprice basque op. 24 | 00:05:57 |
13 | Zigeunerweisen op. 20 (Bearb. für Viola und Klavier) | 00:07:53 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Fischer (Violine)
- Milana Chernyavska (Klavier)