Sigismund Ritter von Neukomm
Quintet • Septet • Octet • Nonet

cpo 777 621-2
1 CD • 56min • 2010
02.05.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Allein die biographischen Besonderheiten des diskographisch bisher höchst stiefmütterlich behandelten Komponisten Sigismund von Neukomm (1778-1858) gäben genug her zum Thema „Hörenswertes-Wissenswertes-Originelles-Rares-Kurioses-Außergewöhnliches". Hervorzuheben für den Maßstab der historischen Bewertung seien etwa die Ehrungen Neukomms zur Aufnahme als Mitglied der Königlichen Musikakademie Stockholm (1807), der Philharmonischen Gesellschaft St. Petersburg (1808), dann der „Ritterschlag" zum Mitglied der Ehrenlegion am 21. Januar 1814 beim Wiener Kongreß nach der Aufführung seines c-Moll-Requiem (NV 111) anläßlich einer von allen Kongreßteilnehmern besuchten Gedächtnisfeier für den 1793 hingerichteten Ludwig XVI., schließlich die Verleihung der Doktorwürde der Universität Dublin (1832) oder die Ernennung zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (1843). Eine bibliophile Kostbarkeit für die Musikforschung stellt darüber hinaus Neukomms akribisch chronologisch, thematisch und biographisch kommentiertes „Testament" eines eigenen Werkverzeichnisses (NV) im 80. Lebensjahr dar, „angefangen im Monat Jänner 1804 im 26ten Jahre meines Alters". Enthalten sind 1265 numerierte Werktitel mit Entstehungsdaten und Notenzitat – ohne die zahlreichen Frühwerke des rastlosen Vielschreibers zu berücksichtigen. Geschätzt wird ein Gesamtschaffen an 2000 Werken.
Es entspricht daher folgerichtig vieler weiterer Pionierleistungen der cpo-Produktionsleitung, unlängst mit der Aufnahme von vier Orchesterfantasien Neukomms erste beispielhafte Proben der bisherigen Quellenforschung vorzulegen. Praktische Impulse gingen dazu offenbar von dem Fagottisten der vorliegenden Werkauswahl, Helge Bartholomäus, aus. Hier nun sind sechs Kostproben aus dem raren Kammermusikschaffen des für Vokal- und Orchesterwerke überaus fruchtbaren Neukomm zu hören. Bereits die unkonventionellen Besetzungsvarianten von drei bis neun Mitwirkenden jeglicher Couleur reizen zum Kennenlernen. Als Fazit ergibt sich eine farbenreiche Kompilation musikalischer Buntheit oft launig aneinandergekettetter Melodie-, Motiv- und Harmoniefolgen. Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello bilden gleichsam die klangliche Grundsubstanz, zu der die Trompete, Harfe, gar ein solistisch eingesetzter „Brummbaß" oder das Klavier als gelegentlich kuriose Farbtupfer für geläufige Figurenstandards, auch banale Rosalien, Akkordmodulationen und Tonartensequenzen sorgen. Neben hübschen Variationsketten gibt es kaum eine herausfordernde thematische Arbeit im klassischen Sinne zu entdecken. Immerhin verteilt sich die Entstehungszeit der unterschiedlichen Werkformen und Besetzungen auf die Verzeichnisnummern zwischen 105 bis 517, umfassen also ein Sammelsurium von spontan übersprudelnder Schöpferlaune für jeweils aktuelle Konzertanlässe aus 19 Jahren weltweiter Reisetätigkeit zwischen 1817 und 1836.
Zu würdigen sind vor allem alle mitwirkenden Interpreten, die den Vorteil ihrer flexiblen Ensemble-Erfahrung im Orchester der Deutschen Oper Berlin einmal ganz der Transparenz und erforderlichen Lockerheit einer dem Schaffen Neukomms entsprechenden „Unterhaltungskunst" souverän und überzeugend zu widmen verstehen. Denn der eigenwillige Charme dieser Ohrenschmeichler und deren Bedeutung für den einstigen Zeitgeschmack ist mit fachkundigen Werkanalysen nicht zu erschließen. Auch wenn es im Beiheft versucht wird. Eher tragen das hörbare Ergebnis, Inhalt, Klang und Wirkung dieser Instrumentalbeiträge zur Erklärung bei, weshalb das Interesse für das Schaffen Neukomms nach dem Tode des Meisters (1858) sehr schnell erloschen ist. Längst bestimmten die zeitlos überragenden Meisterwerke der europäischen Musik vom Barock bis zum Aufbruch der Moderne eines unglaublich schöpferischen Jahrhunderts das internationale Musikleben. Der gegenwärtige Zuhörer unseres Ritters von Neukomm darf sich dagegen an den musealen Kleinkunstwerken des einstiger Publikumsfavoriten dank einer heutzutage exemplarischen Aufführungsqualität „nostalgisch" um so mehr erfreuen.
(Literaturhinweis: „Sigismund Neukomm, Werkverzeichnis - Autobiographie – Beziehung zu seinen Zeitgenossen"; veröffentlicht von Rudolph Angermüller im Musikverlag Emil Katzbichler, München-Salzburg 1977.)
Dr. Gerhard Pätzig [02.05.2013]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sigismund Ritter von Neukomm | ||
1 | Nonetto Es-Dur NV 513 | 00:07:39 |
2 | Septuor concertant Es-Dur NV 399 | 00:07:44 |
3 | Nocturne C-Dur NV 154 | 00:11:51 |
4 | Ottetto Es-Dur NV 421 | 00:10:15 |
5 | Quintetto C-Dur NV 105 | 00:09:20 |
6 | Septetto Nr. 3 Es-Dur NV 517 | 00:07:54 |