BIS 1946
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2010
14.02.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Von allzugroßen Zweifeln dürfte ein Komponist, der im Alter von gut 60 Jahren allein 15 Sinfonien, 19 Konzerte und vier Opern verfaßt hat, nicht geplagt sein. Der finnische Komponist Kalevi Aho (Jg. 1949) hat, das zeigt sein beeindruckender Werkkatalog, Zutrauen in sich, aber vor allem auch in die Musikgeschichte; das Material scheint für ihn nicht verbraucht zu sein, obsolet geworden oder fragwürdig. Darin ähnelt er seinem Lehrer, dem kompositorisch bekanntlich ebenso fruchtbaren Einoujuhani Rautavaara. Komponisten mit dieser Einstellung komponieren durchaus skrupulös, aber sie stellen nicht die Möglichkeit von neukomponierter Musik an sich in Frage.
Typisch für diese positive Einstellung, die von der ästhetischen Fundamentalkritik und den schöpferischen Depressionen, die etwa in Deutschland lange herrschten und zum Teil immer noch herrschen, unberührt scheint, ist das letzte der Drei Interludien für Orgel von 1993. Langsame Akkorde von ungetrübter Tonalität, später dann melodische Verläufe, wechseln über einen sehr langen Zeitraum einander ab, während im Hintergrund ein sehr leiser B-Dur-Akkord liegt und zu Interferenzen führt. Was für sich genommen epigonal gewirkt hätte: tonale Akkordfolgen, wird durch die Vorder- Hintergrund-Wirkung konzeptuell interessant. Es ist dies also eine Haltung, die nicht für sich proklamiert, die Musik neu zu erfinden, aber die mit dem Vorhandenen auf neue Weise arbeitet.
Eine solche vielleicht unspektakuläre ästhetische Position erweist sich zwar nicht als wegweisend: Aho proklamiert nicht für sich, an der Spitze des Fortschritts zu stehen, wo er sich auch tatsächlich nicht befindet; sie erweist sich jedoch dafür als sehr tragfähig, wie man an der gut 50-minütigen Orgelsinfonie Alles Vergängliche von 2007 studieren kann. In dem Maße, in dem die Suche nach dem ganz Neuen in den Hintergrund rückt, tritt eine beeindruckende handwerkliche Geläufigkeit hervor. So enthält die Orgelsinfonie zwei ausgedehnte Fugenabschnitte, die sich ganz offen traditionsbereit geben, etwa ausgiebig von Motorik Gebrauch machen; Hörer, die in der Neuen Musik nur dem Unerhörten begegnen wollen, dürften sich enttäuscht fühlen. Doch Aho beherrscht seinen Kontrapunkt, der schließlich im Finale zu beeindruckenden Kulminationen im Alternieren zwischen Fuge und Toccata führt. Wer also kompositorisches Können schätzt, dürfte sich von diesem durchaus geistreichen musikalischen Denken angesprochen und in höchster Bedeutung unterhalten fühlen. Der Organist Jan Lehtola, für den diese Sinfonie auch geschrieben ist, realisiert die zum Teil hochvirtuosen Strukturen gleichsam mühelos; seine sehr guten Registrierungen verdeutlichen die Strukturen, dazu ist die wunderbar klingende Akerman & Lund-Orgel der schwedischen St. Johannes-Kirche in Malmö räumlich dreidimensional, genügend präsent, doch nicht zu direkt eingefangen.
Prof. Michael B. Weiß [14.02.2013]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Kalevi Aho | ||
1 | Interlude I | 00:03:42 |
2 | Interlude II | 00:05:18 |
3 | Interlude III | 00:08:32 |
4 | Sinfonie für Orgel (Alles Vergängliche) | 00:51:38 |
Interpreten der Einspielung
- Jan Lehtola (Orgel)