Das Kunstharmonium
Ambiente ACD 3013
1 CD • 71min • 2011
01.03.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Als ein genuines Haus- oder in seiner Funktionalität bescheidenes Kircheninstrument stand das Harmonium bislang nicht im Zentrum des Interesses des Musikbetriebs; allenfalls seine prominente Verwendung in Richard Strauss´ Ariadne auf Naxos bescherte ihm ein wenig Aufmerksamkeit. Im 19. Jahrhundert war dies anders; besonders die technischen Neuerungen und der anschließende wirtschaftliche Erfolg der Pariser Instrumentenbauerfamilie Mustel führten dazu, dass nun auch von namhaften Komponisten, aber auch interessanten Nebenfiguren, für die „orgue expressif“ geschrieben wurde. Diese Expressivität, die das Harmonium als einziges nichtelektronisches Tasteninstrument zu leisten vermag, wird denn auch von den hier versammelten Stücken aus der französischen Produktion weidlich ausgenutzt. Der Harmonist kann den Ton nach Belieben an- und abschwellen lassen, wie dies besonders die andächtigen und erbaulichen Werke von Boely oder Alphonse Mustel, dem Enkel von Victor, demonstrieren. Hier wird anschaulich, warum das Harmonium als Orgelersatz in der Kirche so beliebt ist; schön, wie Jan Hennig, der auf diesem wunderbaren Harmonium-Recital eine „Orgue-Cèlesta“ von 1902/03 aus Mustels Firma spielt, anschaulich macht, wie die Tasten besonders im Baßregister schwerer ansprechen und überhaupt die Geräuschhaftigkeit dieses quasi vorsintflutlichen und geheimnisvollen, da naturbegabten Synthesizers, betont. Zum interpretatorischen Ereignis wird dieses Album auch dadurch, wie geschmackssicher Jan Hennig, ein vielseitiger Musiker und nicht zuletzt ein wahrer Meister seines seltenen Instruments, auch die populären Aspekte der Harmoniums-Musik voll auskostet: etwa den Witz des Boléros von Lefébure-Wély oder der beiden Capricen des großen Guilmant. Er trifft sogar den heiklen Hautgout in Georges Bizets gleichzeitig köstlich und schaurig sentimentaler Crépuscule (Dämmerung). Der heimliche Höhepunkt dieser kurzweiligen, lehrreichen und rundum empfehlenswerten Aufnahme freilich ist Lemmens' Walpurgisnacht, eine makabre danse macabre, die auch stimmungsvollen Gebrauch von der seinerzeit ebenfalls (übrigens auch von Mustel) frisch erfundenen Celesta macht – hinreißend.
Prof. Michael B. Weiß [01.03.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alexandre Pierre François Boely | ||
1 | Première Fantaisie op. 57 Nr. 2 – Andante | 00:07:36 |
Georges Bizet | ||
2 | Caprice | 00:04:34 |
L. J. A. Lefebure-Wely | ||
3 | Boléro de concert op. 166 | 00:03:49 |
César Franck | ||
4 | Quasi Marcia op. 22 | 00:05:17 |
Félix Alexandre Guilmant | ||
5 | Scherzo op. 31 – Allegro vivace | 00:05:12 |
6 | Mazurka op. 35 | 00:04:59 |
Jaak-Nikolaas Lemmens | ||
7 | Walpurgisnacht | 00:05:47 |
Alphonse Mustel | ||
8 | Largo op. 18 | 00:06:10 |
Georges Bizet | ||
9 | Crépuscule | 00:07:06 |
Jules Mouquet | ||
10 | Sonate op. 10 | 00:20:15 |
Interpreten der Einspielung
- Jan Hennig (Harmonium)