BIS 1968
1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2011
06.10.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Sonderbare Geschichten erfahren wir aus dem Beiheft über Ole Olsen, den Komponisten aus Hammerfest, und seinen Vater Iver, der ein wahres Multitalent gewesen sein muß: Tischler, Bäcker, Geiger, Amateurorganist und obendrein der Poet der nordnorwegischen Stadt, in der sein nachmals überaus berühmt gewordener Sohn am 4. Juli 1850 geboren wurde. Es wird berichtet, dass Ole und Iver mit ihren gereimten Zwiegesprächen ganze Gesellschaften unterhalten konnten, und dass der kleine Bursche schon mit fünf oder sechs Jahren ans Klavier ging, um seine ersten Kompositionen zu verfassen, während er um dieselbe Zeit den Vater an der Orgel ablöste. Keine Frage, das war ein Erzmusiker, der eigentlich nur hätte „entdeckt“ werden müssen – was auch prompt geschah, als ihn ein deutscher Architekt im Dom von Trondheim spielen hörte: Der Weg war frei nach Leipzig und somit zur gründlichen Unterweisung bei Carl Reinecke, der bis 1874 sein Lehrer war.
Natürlich denkt man dabei sogleich an den Werdegang Edvard Griegs, der tatsächlich ein guter Freund seines nordischen Landmanns war und ihn, als er 1877 Christiania (Oslo) verließ, als seinen Nachfolger als Dirigent des Musikvereins empfahl. Olsens weitere Karriere führte schließlich 1884 zum norwegischen Heeresmusikcorps und zum Majorsrang. Sieben Jahre nach seiner Pensionierung starb er am 9. November 1827. Er hinterließ mehrere Opern auf eigene Libretti – Olsen war und blieb Poet sein Leben lang – sowie Schauspielmusiken, Orchesterstücke, Lieder, Kantaten und selbstverständlich vieles für die Militärkapellen des Landes.
Wenn wir nach den drei hier gekoppelten Werken urteilen dürften, sollte sich eine Inspektion seines schöpferischen Kontos lohnen – obwohl er offensichtlich kein Symphoniker war, wie sein Opus 5 verrät, das wohl noch während der Leipziger Ausbildung begonnen, dann aber 1875/76 in der Heimat fertig wurde. Das „Symphonische“, die zwingende Durchführungsarbeit, war seine Sache nicht, weshalb sich die Ecksätze mit gewollter Motivverarbeitung von der Exposition zur Reprise hieven und bald in eine Flaute geraten. Das Scherzo hingegen ist ein hübscher, charmanter, flinker Reigen, in dessen flirrendes Geflatter die tiefen Bläser mit dicken Backen seltsam kantige Figuren pusten, als hockten Trolle hinter Hecken, um sich vorm Elfentanz zu verstecken, und das stark volksmusikalisch getönte Andante überragt weithin hörbar seine gesamte musikalische Umgebung mit beinahe monumentalen Gesängen und intensiver Geschlossenheit.
Das 1878 entstandene „sinfonische Tonbild“ Asgaardsreien op. 10, das Olsen seinem Freund Edvard Grieg widmete, ist von ganz anderem Kaliber. Inspiriert durch das gleichnamige Gedicht von Johan Sebastian Welhaven (1807-1873), zeichnet die kraftvolle, gedrungene Komposition mit raffinierten orchestralen Mitteln und musikalischen Einfällen ein wildes Ereignis um die vom Gott Donner geführte Schar, die, so das Vorwort der Partitur, „zu aller Zeit in dunklen, stürmischen Winternächten durch die Wolken braust, um auf der Walstatt die Kämpfer aufzusuchen, welche von ihr in die Luft emporgehoben und dann in jäher Flucht mit fortgeführt werden. – In eine Bauernhochzeit, wo die Gäste sich in fröhlichem Tanze schwingen, drängen sich zwei verschmähte Liebhaber ein, – der Bräutigam wird angefallen, und während die Weiber um göttlichen Beistand flehen, wird der eine Liebhaber vom Bräutigam erlegt, – der Streit wird abgebrochen – ,Asgaardesreien’ stürmt auf den Kampflatz, hebt den zurückgebliebenen Liebhaber in die Lüfte und braust weiter – Der verwundete Bräutigam wurde geheilt; und lange und glücklich lebte er im Kreise seines Geschlechts und erzählte, wenn seine Enkel am Herde weilten, die Ereignisse seines Hochzeitstages.“
Aus dem Jahre 1886 stammt schließlich das Mittelstück der Produktion: das Konzert für Tenorposaune und Orchester F-Dur, bei dessen Einspielung Christian Lindberg den Platz am Dirigentenpult für seinen Kollegen Rune A. Halvorsen räumte, um selbst den enorm virtuosen und dabei unendlich sangbaren Solopart zu übernehmen, der, wie uns mitgeteilt wird, ursprünglich für Ventilposaune gedacht war und daher mit exorbitanten Schwierigkeiten versehen ist. Kein Problem für Lindberg, der uns mit seiner „Kanne“ schon oft das blanke Staunen lehrte Doch die höllischen Triller sowie die knatternden Doppel- und Tripelzungen, mit denen dreiteilig nach dem Schema ABA’ angelegte Stück nach einer knappen Viertelstunde zu Ende geht, der letzte hohe Juchzer, den man vermutlich nur ausführen kann, wenn man körperlich aber auch alles zusammenkneift, sind nicht einmal das wirklich Wunderbare: Die samtweiche Tongebung und die unendliche Lyrik, die sich schon im ersten Solo-Einsatz ankündigt, hebt das Werk und seine Darbietung auf ein ganz hohes Podest.
Rasmus van Rijn [06.10.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ole Olsen | ||
1 | Asgaardsreien op. 10 (Sinfonische Dichtung) – Allegro moderato | 00:10:25 |
2 | Konzert F-Dur op. 48 für Posaune und Orchester | 00:14:02 |
5 | Sinfonie Nr. 1 G-Dur op. 5 | 00:37:27 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Lindberg (Posaune, Dirigent)
- Arctic Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Rune A. Halvorsen (Dirigent)