Chopin Polonaises
Hungaroton HCD 32471-72
2 CD • 2h 21min • 2008
29.04.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Polonaisen-Einspielungen des (jetzt) 42-jährigen, aus dem italienischen Parma gebürtigen Pianisten, dem Namen nach ungarisch anmutenden Alex Szilasi sind Teil einer auf Gesamtheit angelegten Chopin-Dokumentation. Erschienen sind bereits die Interpretationen der Mazurkas (Hungaroton HCD 32469-70) und der 19 überlieferten Walzer (Hungaroton HCD 32468), die mir – ich gestehe es – im Bereich der pianistischen Ausarbeitung, der klanglichen und phraseologischen Überzeugungskraft einige Sorgen bereitet haben. Mit den Polonaisen allerdings scheint sich Szilasi mit seinem tendenziell straffen, ernsten, allen zauberischen Umschweifen abholden Spiel auf pianistischer Augenhöhe zu bewegen. Aber auch die verhaltenen Binnenpassagen etwa der cis-Moll-Polonaise op. 26,1 gelingen ihm mit der Einfühlung eines Gestalters, der sich über die Proportionen, über das Kommen und Gehen von Themen, über das Weben und Auftrumpfen einer tänzerisch-stolzen, ja patriotischen Musik im Klaren ist. Die folgende Polonaise op. 26,2 hat Adam Harasiewicz elastischer formuliert, Cziffra und Horowitz forcierten die As-Dur-Polonaise (op. 53) verwegener im mit Oktaven unterlegten Mittelteil, aber insgesamt gelingt es Szilasi die Wichtigkeiten eines jeden Stückes prägnant, dabei ohne jede Übertreibungen im Bereich der Artikulation sozusagen ins Hörbild zu rücken. Wobei es anzumerken gilt, dass die heiklen Fragen des Chopinschen Rubatos in diesen Stücken nicht jene Rolle spielen wie etwa im Umfeld der Nocturnes oder der Klavierkonzerte.
Szilas spielt auf einem „Concert Grand Piano" der Marke Pleyel (Fabriknummer 38 E 694), gefertigt gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Das Instrument klingt erstaunlich „modern". Ich habe die Aufnahme mehreren Freunden ohne Vorankündigung vorgespielt. Alle gingen davon aus, es handelte es sich um einen Flügel neuerer Bauart. Die mir bekannten Erard-Instrumente aus der Chopin-Zeit tönen erheblich "scheckiger", was natürlich auch auf ihren jeweiligen Zustand zurückzuführen ist.
Mit der gestalterisch äußerst schwierigen Polonaise-Fantaisie überzeugt Szilasi mit moderatem Einsatz in den erregteren Sequenzen, hütet sich, am Beginn die nachdenklichen Dreiklangszerlegungen allzu elegisch auszuspinnen. Unter seinen Händen erlebt man eine rhythmisch aufgeraute Tanz-Nocturne, nicht annähernd so explosiv wie jüngst von Alexei Volodin zu hören, der in manchen Wegstrecken gewissermaßen übervirtuos ist. Mit den ohne Opus-Nummern publizierten Mazurken aus den Jahren 1826, 1829, 1832, 1834, 1840 und 1849 ergänzt Szilasi das erwähnte Doppelalbum HCD 32469-70 – mit solidem Fingerspitzengefühl im Vorfeld von Unnachahmlichkeit, wie sie Chopin-Künstler wie Rubinstein und Harasiewicz auf dem doppelten Boden von polnischer Realität und Illusion wohl bis ans Ende aller diskographischen Tage fixiert haben.
Vergleichsaufnahmen: Polonaisen: Harasiewicz (Philips/Decca 4428746), Magaloff (Philips), Mursky (Hänssler PH 04069), Rubinstein (RCA); Poloanise-Fantaisie: Volodin (Challenge classics CC 72354).
Peter Cossé † [29.04.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Frédéric Chopin | ||
1 | Polonaise cis-Moll op. 26 Nr. 1 – Allegro appassionato | 00:08:33 |
2 | Polonaise es-Moll op. 26 Nr. 2 – Maestoso | 00:08:40 |
3 | Polonaise Nr. 3 A-Dur op. 40 Nr. 1 (Militär-Polonaise) – Allegro con brio | 00:05:14 |
4 | Polonaise c-Moll op. 40 Nr. 2 – Allegro maestoso | 00:07:24 |
5 | Polonaise fis-Moll op. 44 – Tempo di polacca - doppio movmento, tempo di Mazurka - Tempo I | 00:11:32 |
6 | Polonaise As-Dur op. 53 (Heroische) | 00:07:06 |
7 | Polonaise-Fantaisie As-Dur op. 61 – Allegro maestoso | 00:15:22 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Polonaise B-Dur KK II a Nr. 1 | 00:03:43 |
2 | Polonaise g-Moll KK IV a Nr. 1 | 00:02:56 |
3 | Polonaise As-Dur KK IV a Nr. 2 | 00:04:05 |
4 | Polonaise gis-Moll KK IV a Nr. 3 – Moderato | 00:06:38 |
5 | Polonaise d-Moll op. 71 Nr. 1 | 00:05:27 |
6 | Polonaise b flat minor KK IV a Nr. 5 (L' Adieu) | 00:05:26 |
7 | Polonaise B-Dur op. 71 Nr. 2 | 00:08:15 |
8 | Polonaise f-Moll op. 71 Nr. 3 – Allegro moderato | 00:06:58 |
9 | Polonaise Ges-Dur KK IV a Nr. 8 | 00:08:23 |
10 | Mazurka G-Dur KK II a Nr. 2 | 00:01:00 |
11 | Mazurka B-Dur KK II a Nr. 3 | 00:01:38 |
12 | Mazurka D-Dur KK IV a Nr. 3 | 00:01:43 |
13 | Mazurka B-Dur KK IV b Nr. 1 | 00:01:56 |
14 | Mazurka C-Dur KK IV b Nr. 3 | 00:03:26 |
15 | Mazurka As-Dur KK IV b Nr. 4 | 00:01:52 |
16 | Mazurka a-Moll KK II b Nr. 4 (Notre temps) | 00:03:54 |
17 | Mazurka a-Moll KK II b Nr. 5 | 00:03:49 |
18 | Mazurka f-Moll op. 68 op. posth. | 00:04:17 |
Interpreten der Einspielung
- Alex Szilasi (Klavier)