Rachmaninov 4 • Medtner 2
Yevgeny Sudbin
BIS 1728
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2008
02.02.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn im britischen „Daily Telegraph“ zu lesen war, dass der aus St. Petersburg stammende Pianist Yevgeny Sudbin zu einem der „vielleicht größten Pianisten des 21. Jahrhunderts“ zu zählen sei, dann bleibt mir angesichts seiner BIS-Einspielungen nur die Einschränkung in Richtung des Kritikers: er hätte sich getrost das Wörtchen „vielleicht“ sparen können! Seit Sudbins geistreicher, gefühlvoll brillanter, dabei auch messerscharf argumentierender Scriabin-Einspielung (BIS SACD 1568) verfolge ich seine Leistungen mit höchster Bewunderung. Und nun bietet dieser intelligente, in seinen Booklet-Texten absolut eigenständige, ja in manchen Passagen auch humorvolle Pianisten-Poet zwei Klavierkonzerte, die bei den arrivierten, den berühmten Interpreten immer noch ein Schattendasein führen. Rachmaninoffs zerklüftetes, von vielen Taktwechseln zersplittertes, gewissermaßen Puzzle-artig angelegtes g-Moll-Konzert genießt weitgehend Beachtung, wenn sich Pianisten an eine Gesamtdarstellung der vier Konzerte (samt „Paganini-Rhapsodie“) wagen, Medtners c-Moll-Konzert blieb bis zum heutigen Tag der musikalische Nebenerwerb weniger Klavierkünstler, die sich nicht allein auf die Popularität eines Komponisten verließen, sondern auf ihre eigene ästhetische Spürnase. Denn diesem Klavierkonzert op. 50 sind – sofern man es nur überzeugt und überzeugend anpackt – eine Fülle von lyrischen, virtuosen, dramatischen und heimlichen Qualitäten eigen. Die freilich gilt es mit Umsicht und mit wohltemperierter Leidenschaft herauszuarbeiten.
Sudbin meistert die beiden Sorgenkinder des Klavierkonzert-Repertoires mit unwiderstehlicher Geläufigkeit, mit sicherem Instinkt (und Wissen) um die kleinen und großen Höhepunkte – und er lässt es auch nicht an Kooperation fehlen, wenn Rachmaninoff und Medtner sozusagen kammermusikalische Kurzstrecken in ihre klavier-sinfonischen Architekturen eingebaut haben.
Problematisch allerdings ist diese Produktion hinsichtlich des Orchesters und der Klangtechnik. Versprochen ist seitens des Herstellers SACD-Klang und der damit verbundene orchestrale Genuss. Doch das instrumentale Farbenspiel wirkt räumlich überraschend eingeengt, nicht wirklich blühend und in den Spitzenwerten der (für diese Stücke unerlässlichen Prunkdynamik) sonderbar flachbrüstig. Unter diesen Umständen bleibt die EMI-Einspielung des „Vierten“ von Rachmaninoff mit Benedetti Michelangeli das Non plus ultra, obwohl sie schon einige Jahrzehnte auf den Rillen hat. Fazit: Sudbin hätte für sein Engagement nicht nur ein prominenteres, sondern auch ein besseres Orchester verdient. Die 1932 gegründete North Carolina Symphony mag – wie im Begleitheft zu lesen – „ein wesentlicher Bestandteil des Kulturlebens von North Carolina mit jährlich 175 Konzerten“ sein, aber für eine CD-Produktion in Konkurrenz zu Orchestern der Weltspitze sollte man sich seitens des Produzenten doch etwas kritischer verhalten.
Yevgeny Sudbins elegant-nachdenkliches, schillernd-sensibles Klavierspiel darf man bewundern, wenn er sich in Rachmaninoffs Frühlingsfluten kühl und zugleich erwärmend badet – eine Transkription des Pianisten, die wieder einmal in Erinnerung ruft, welch herrliche Lieder dieser Komponist zu Notenpapier gebracht hat – in diesem Fall ein strömendes Juwel, genauer: die Nummer 11 aus der Serie von Liedern op. 14!
Vergleichsaufnahmen: Rachmaninoff op. 40: Zak – Kondrashin (APR 6005), Benedetti Michelangeli – Caracciolo (Altara 1023), Benedetti Michelangeli – Gracis (EMI), Biret – Wit (Naxos 8.501005), Ashkenazy – Previn (Decca 455234-2, bzw. 444839-2), Paik – Fedosejew (RCA 09026 68867 2), Hough – Litton (Hyperion SACD 67501/2), Kocsis - de Waart (Great Pianists Philips 456 874-2, bzw. Philips 411475-2), Rachmaninoff – Ormandy (Naxos 8.110602), Thibaudet – Ashkenazy (Decca 458930-2), Glemser – Wit (Naxos 8.550809), Pisarev – S. Friedmann (Arte Nova 72108 2), Lugansky – Oramo (Warner 2564 61946-2), Ghindin – Ashkenazy (Originalversion 1926 /Ondine ODE 977-2), Ashkenazy - Haitink (Decca), Orozco – de Waart (Philips), Vasáry – Ahronovich (DG), Adomeit - Lücker (Bayer Records 100194), Entremont – Ormandy (Sony SBK 46541), Black – Buketoff (Chandos 8987), Rudy-Jansons (EMI 555188 2), Lill – Otaka (Nimbus Records 5478), Rösel – K. Sanderling (Ars Vivendi 2100166), Wild – Horenstein (Chesky Records CD 41), Shelley – Thomson (Chandos 8882/3); Medtner: Scherbakov – Golovschin (Naxos 8.553390), Madge – Stupel (Danacord DACOCD 403), Tozzer – N. Järvi (Chandos 9038), Medtner – Dobrowen (Testament SBT 1027), Demidenko – Maksymiuk (Hyperion CDA 66580)
Peter Cossé † [02.02.2010]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Nicolai Medtner | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 50 | 00:38:38 |
Sergej Rachmaninow | ||
4 | Klavierkonzert Nr. 4 g-Moll op. 40 | 00:30:43 |
7 | Floods of Spring op. 14 No. 11 | 00:03:23 |
Interpreten der Einspielung
- Yevgeny Sudbin (Klavier)
- Grant Llewellyn (Dirigent)
- North Carolina Symphony (Orchester)