OehmsClassics OC 721
1 CD • 71min • 2007
20.06.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein erstaunliches CD-Debüt, das aufhorchen lässt. Bemerkenswert und mutig ist das unter atmosphärischen und tonartlichen Gesichtspunkten klug zusammengestellte Programm, mit dem der 21-jährige Clemens Berg wohltuend aus der Masse seiner (jungen) Pianisten-Kollegen heraussticht. Der Ballade f-Moll op. 52 und den zwei Nocturnes op. 48 von Frédéric Chopin an die Seite gestellt sind ausschließlich Werke des 20. Jahrhunderts und – wiederum bemerkenswert und erfreulich – eine Weltersteinspielung: zwei von Clemens Berg auch uraufgeführte Préludes des 1949 geborenen Manfred Trojahn.
Es handelt sich – wie man vielleicht vermuten könnte – keineswegs um ein „Hoppla, hier komme ich“-Debüt. Trotzdem bietet die klanglich hervorragende Produktion weit mehr als bloße pianistische Solidität. Staunen machen neben Clemens Bergs exzellenter Technik seine erstaunliche Tonqualität und seine Fähigkeit des Nuancierens, was den Interpretationen von Alban Bergs Sonate h-Moll op. 1, Anton Weberns Variationen op. 27 und der Sonate Nr.2 op. 53 von Alberto Ginastera das Besondere verleiht.
Clemens Bergs durchsichtig gestalteter Chopin enthält sich – abgesehen von manch affektiert wirkenden Rubati – jeglicher Exzentrik. Doch gerade die f-Moll-Ballade könnte bei aller pianistischen Gespanntheit und faszinierend ausgebreiteter Gesangskunst anstelle einer gewissen Ehrfurcht ein wenig mehr Kühnheit vertragen. Dies sei aber nur am Rande gesagt, denn Bergs Spiel ist voller Wärme und besticht nicht nur bei Chopin mit subtiler Dynamik. Sensibilität und Temperament beweist der Sieger des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ des Jahres 2005 in der verdichteten Expressivität der einsätzigen, schwärmerischen wie versonnenen h-Moll-Sonate op. 1 von Alban Berg. Und mit welcher Selbstverständlichkeit der junge Pianist innerhalb der zerklüfteten Variationen op. 27 von Anton Webern jedem Ton eine eigene Qualität, jedem der drei Teile eine enorme Intensität verleiht, damit auch die zeitliche Unbestimmtheit und das allmähliche Verstummen der Musik gekonnt unterstreicht – das fordert höchsten Respekt. Ebenso Clemens Bergs hoch entwickeltes Klangverständnis, mit dem er die zwei harmonisch offenen Préludes von Manfred Trojahn in die Nähe zur Farbigkeit eines Debussy rückt. Mehr als nur gewachsen zeigt sich der seit 2006 in Rostock und Graz studierende Pianist schließlich der eruptiven und obsessiven Rhythmik in Albert Ginasteras Sonate Nr. 2 op. 53: Einfach beeindruckend ist die völlig unangestrengt wirkende Präzision, die Clemens Berg gerade im Furioso der Ecksätze an den Tag legt.
Ohne Frage präsentiert sich hier ein viel versprechender junger deutscher Künstler, der ungeteilte Aufmerksamkeit fordert, sie aber auch verdient und der hoffentlich in Zukunft weiterhin aufhorchen lässt.
Christof Jetzschke [20.06.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Frédéric Chopin | ||
1 | Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52 Nr. 4 | 00:11:33 |
2 | Nocturne Nr. 13 c-Moll op. 48 Nr. 1 | 00:07:25 |
3 | Nocturne Nr. 14 fis-Moll op. 48 Nr. 2 | 00:10:01 |
Alban Berg | ||
4 | Klaviersonate h-Moll op. 1 | 00:12:28 |
5 | Variationen op. 27 | 00:06:19 |
Manfred Trojahn | ||
8 | Rêverie (Nu au jardin, Nr. 5 aus Douze Préludes pour Piano) | 00:06:45 |
9 | Tel un souper dans le vent (Nr. 6 aus Douze Préludes pour Piano) | 00:02:39 |
Alberto Ginastera | ||
10 | Klaviersonate Nr. 2 op. 53 | 00:13:54 |
Interpreten der Einspielung
- Clemens Berg (Klavier)