Naxos 8.551262
1 CD • 66min • 2007
12.03.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Dirigent Helmut Müller-Brühl ist im 75. Lebensjahr alles andere als altersmild. Jedenfalls lassen diese Beethoven-Interpretationen aufhorchen, sind ungewöhnlicher als manches, was wir landauf landab in Sachen Beethoven zu hören bekommen. Faszinierend an der Karriere des 1933 geborenen Musikers sind seine Vielseitigkeit, seine Aufgeschlossenheit und sein Mut, neue Schritte zu gehen. 1964 übernahm er das 1923 gegründete Kölner Kammerorchester, das zunächst nichts anderes als ein konventionelles und dazu sehr erfolgreiches Kammerensemble war – wie Konzerte, Reisen und mehr als 200 Aufnahmen sowie Rundfunk- oder Fernsehproduktionen belegen. Recht früh schon begann Müller-Brühl mit Erkundungen des Klangs früherer Jahrhunderte. Mit dem Wiener Barockgeiger Eduard Melkus, den er Ende der 60er Jahre kennenlernte, trat er in einen intensiven Erfahrungsaustausch. Das Ergebnis seiner Beschäftigung mit Alter Musik war die Capella Clementina, die von 1976 bis 1986 bestehende, auf alten Instrumenten musizierende Barockformation des Kölner Kammerorchesters. Die Erfahrungen mit alten Instrumenten und Barockmusik übertrug Müller-Brühl dann auf sein auf modernen Instrumenten spielendes Kammerorchester.
Müller-Brühls Interpretationen der Sinfonien Beethovens sind gewiss nicht so radikal in ihrer klanglichen Zuspitzung wie die eines Nikolaus Harnoncourt oder John Eliot Gardiner, nicht so dramatisch und von mitreißendem Schwung wie die von Paavo Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie, er nimmt zwischen den Polen Traditionalismus und von historischer Aufführungspraxis geprägter Moderne eine Mittelstellung ein. Er vermeidet Extreme in Dynamik und Agogik, sein fortissimo ist kräftig, springt die Hörer indes nicht an, die sforzati könnten stärker sein. Die Tempi sind zügig, musiziert wird bewegt und akzentuiert, ohne schneidende Akzente und mit allen Wiederholungen, die Beethoven vorschreibt. Deutlichkeit und Klarheit dominieren. Auch im berühmten zweiten Satz der siebten Sinfonie bleibt das Allegretto immer forsch im Tritt, das Presto ist drängend, aber nicht verhetzt, das Finale ist Allegro con brio: rasch, drängend, jedoch nicht rasend. Die Achte ist uneinheitlich: drängend angelegt im Kopfsatz und noch stärker im Finale, mit pulsierendem Allegretto, aber einem zu wenig rhythmisch akzentuierten Menuett. Das Orchester musiziert präzise, flexibel, differenziert und lässt es nicht an Spielfreue fehlen.
Bei aller Animiertheit mag man allenfalls bedauern, dass Müller-Brühl doch ein Quentchen Zurückhaltung übt und diese Werke nicht dramatischer nimmt. Dennoch sind die Interpretationen ein gewichtiger Diskussionsbeitrag zu einem „modernen“ Beethoven, den schon René Leibowitz mit seiner legendären Aufnahme in den sechziger Jahren erschloss – mit einem „konventionellen“ Sinfonieorchester.
Der Klang ist deutlich, voll, präsent, aber nicht brillant und nicht genügend durchsichtig, er wird vor allem im mezzoforte und forte kompakt – und scheint mir die Intentionen des Dirigenten nach Klarheit und Deutlichkeit des Satzes nicht optimal zu realisieren. Manche Feinheit der Artikulation geht so leider unter.
Peter Heissler [12.03.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 | 00:40:59 |
5 | Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 | 00:25:07 |
Interpreten der Einspielung
- Kölner Kammerorchester (Orchester)
- Helmut Müller-Brühl (Dirigent)