Zunächst erlaube ich mir, einen Fehler zu korrigieren. In der Vergleichsrubrik (und in vergleichenden Bemerkungen) der Rezension von Gerhard Oppitz’ Einspielung der sogenannten „Hammerklaviersonate“ (Hänssler 98.207) habe ich von einem jungen, den langsamen Satz aus op. 106 sehr rasch nehmenden Interpreten namens Oskar gesprochen. Mit Oskar ist natürlich nur der Vorname genannt worden. Der junge, jetzt gerade 22jährige Pianist aus Polen besitzt natürlich einen Familiennamen! Jezior lautet er – und man wird ihn sich (um eine alte Kritikerphrase zu bequemen) merken müssen. Der hochbegabte, aus Warschau gebürtige Musiker ist nicht nur pianistisch höchst versiert, sondern auch als Geiger und als Komponist unterwegs. Er lebt in Bremen, wo er von der dortigen Sparkasse als Leihgabe eine Sebastien Vouillaume-Violine zur Verfügung gestellt bekommen hat. Seit 2002 ist er Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Und damit sind wir beim eigentlichen Thema, denn Oskar Jezior verdient – wie ich meine – jede Art von Förderung (und gelegentlich auch ein warnendes Wörtchen). Denn zum einen bewegt er sich mit großem Geschick auf den Tasten (und wie eine Demo-CD beweist auch auf den Saiten!), zum anderen treibt es ihn zu gefährlicher Eile , wenn Beethoven die Vortragsbezeichnung „Adagio sostenuto“ für einen der Gedanken schwersten Sätze nicht nur seines Schaffens, sondern der gesamten Literatur gewählt hat. Jezior freilich könnte einwenden, Beethoven habe noch hinzugesetzt, der Ausführende möge „appassionato e con molto sentimento“ vorgehen. Dies zweifellos, aber er hüte sich, wie Oskar Jezior in Eile über die Schluchten, über die Pausen und Nachdenklichkeitsphasen dieser Musik hinweg zu gleiten. Man kann diesen Satz straffen, man darf ihn etwas Wirklichkeits näher anfassen als manche der großen Klavierphilosophen vergangener Tage, aber man sollte ihn nicht entkräften, ihn nicht zur gehobensten Unterhaltungsmusik im fast schon tänzerischen Tonfall umdisponieren.
Insgesamt besehen und gehört meldet sich Oskar Jezior als ein Beethoven-Deuter von frischer, resoluter, in den beiden Fugen-Segmenten für Durchsichtigkeit bürgender Brillanz. Lehrer wie Arie Vardi und Karl-Heinz Kämmerling schufen ihm offenbar eine sichere Grundlage, sich umsichtig, aber auch (siehe oben!) exzentrisch auf das Abenteuer Interpretation zu begeben. Momentan, das sei noch angefügt, studiert Jezior in Hannover Klavier bei Matti Raekallio und Violine bei Krzysztof Wegrzyn. Was dabei herauskommt, wird die Zukunft zeigen – und die nächsten Einspielungen.