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1 CD • 62min • 1954, 1955
08.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schumanns Lieder haben den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau ein Sängerleben lang und darüber hinaus begleitet. In gewisser Weise kann er sogar die Position eines Pioniers beanspruchen, denn er hat sich nicht nur auf die populären Zyklen wie die Dichterliebe konzentriert, sondern auch das weniger leicht Zugängliche in maßstäblichen Interpretationen ans Licht gebracht. Etwa die Kerner-Lieder op. 35, die er als erster Sänger überhaupt komplett eingespielt hat.
Dabei kann die hier vorliegende WDR-Produktion mit Hertha Klust von 1954 als die eigentliche Premiere gelten, die erste Studio-Aufnahme mit Günther Weißenborn entstand erst drei Jahre später. Die etwas sperrige Lyrik Kerners und Schumanns spröde Vertonungen, die ihre Schönheiten erst bei mehrmaligem Hören offenbaren, stellen für Fischer-Dieskaus gestalterisches Temperament eine ideale Herausforderung dar. Er war mit 29 Jahren bereits ein völlig ausgereifter Künstler und stimmlich auf der Höhe seiner Möglichkeiten, so dass ihm die komponierten Extreme in der Dynamik, aber auch im Stimmumfang nicht die geringste Mühe bereiteten. Ein Meister der Anverwandlung, konnte er schon damals seinem sehr hellen, beinahe tenoralen Bariton dort, wo es gefordert ist, mühelos dunkle, gar bassige Farben abgewinnen.
Bei den Eichendorff-Liedern op. 39, die ein Jahr darauf im Kölner Studio entstanden (und bei dieser Gelegenheit erstmals auf CD veröffentlicht werden), konnte sich Fischer-Dieskau auf eine anderthalb Jahre zuvor mit Gerald Moore erarbeitete kommerzielle Aufnahme stützen. Hier liegt nun die große Kunst in der Reduktion, vor allem in den erfüllten Augenblicken im piano. Die viel strapazierte Mondnacht ist in ihrer Verhaltenheit und gleichzeitigen Leuchtkraft exemplarisch gelungen.
Fischer-Dieskau hat beide Liederzyklen in späteren Jahren anders gestaltet, gelegentlich differenzierter in den sprachlichen Details, ohne jedoch im Ganzen diese frühen Aufnahmen zu übertreffen. Was die Begleiter und die Tonqualität angeht, so muß man gegenüber der gleichzeitigen Eigenkonkurrenz auf Schallplatten kleinere Abstriche machen. Hertha Klust und Günther Weißenborn assistieren dem Sänger grundsolide, ohne ihn wie Gerald Moore auch zu fordern, auch entwickeln sie weniger Gefühl für Schumanns Poesie als der Engländer.
Ekkehard Pluta [08.03.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | 12 Lieder nach Gedichten von J. Kerner op. 35 | |
2 | Liederkreis op. 39 (nach Gedichten von Joseph von Eichendorff) |
Interpreten der Einspielung
- Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton)
- Hertha Klust (Klavier)
- Günther Weißenborn (Klavier)