Alfred Schnittke
epilogue – Works for cello & piano
BIS CD 1427
1 CD • 76min • 2003
19.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Von Seiten der musikalischen Avantgarde wurde Alfred Schnittke zu Lebzeiten wahrgenommen wie ein gemäßigter Schostakowitsch-Nachfolger mit der Marotte plötzlicher stilistischer „Schnitte“, die allerdings trotz ihrer zweifellosen Originalität nicht wirklich ausreichten, dem erlauchten Kreise der wirklichen Avantgardisten anzugehören. Aber auch unter den weniger radikal avantgardistisch Gesinnten taugte Schnittke nicht wirklich zum Mode- oder Kultkomponisten, allzu divergent und unberechenbar, ja gar unentschieden wirkte sein Werk, das in der Tat auf merkwürdige Weise zwischen Expressionismen, Neoklassizismen, Avantgardismen und Historismen hin und herzupendeln scheint.
Insofern ist es eine befreiende Feststellung, dass das musikgeschichtlich so unberechenbare Phänomen „Zeit“ auch heute noch handlungsaktiv ist und endlich den entscheidenden Blick auf ein Werk freigibt, das genau diese Widersprüche benötigte, um eine menschliche Intensität zu erreichen, die sich gerade jenseits jeder Material- oder Stilistik-Diskussion mitteilt. Genau das macht diese Einspielung hier von der ersten Phrase an deutlich: die Musik beginnt und zieht alles in ihrem unmittelbaren emotionalen Sog mit, wobei der Reichtum der Stilmittel nicht mehr als eine originelle Verhaltensweise der Musik erscheint, sondern als eine selbstverständliche Facette ihrer Psyche. Gerade die erste Cellosonate belegt in ihrer zwingenden Musikalität, dass Schnittke kein Mixer, kein komponierender Discjockey ist, sondern dass er einem inneren Zwang zum Universellen gefolgt ist: Die in vielfachem Timbre vagierenden Dur-Moll-Motive des ersten Satzes, die wie entwurzelte Straßenlaternen den Klang-Wanderer begleiten, oder die quälend aufgeladenen Leerformeln, die den zweiten Satz zu einem surreal-grotesken Scherzo machen, in dem vor allem die ungeladenen Geister das Wort führen.
Stoischer, gewiss abgeklärter, aber auch reduzierter gibt sich die vierzehn Jahre später entstandene zweite Cellosonate, stilistisch wie eine Art Expressionismus, der sich zwar eine Krawatte angezogen hat und „klassisch“ geworden ist, der aber seine Seele nicht wirklich verändert hat. Nicht weniger eigen sind die Welten, die sich in Epilogue, einem Teil des Peer Gynt-Balletts, öffnen und die sich auch jenseits des Theaters plastisch mitteilen. Torleif Thedéen und Roland Pöntinen präsentieren diesen bald lyrisch-versponnenen, bald geisterhaft-romantischen Schnittke mit der ganzen virtuosen Palette möglicher Farben und Zwischentöne, aber dabei stets in einem Gestus, der dieser sehr menschlichen Musik einen wirklich menschlichen Atem verleiht.
Hans-Christian v. Dadelsen [19.03.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Alfred Schnittke | ||
1 | Sonate Nr. 1 für Violoncello und Klavier (1978) | |
2 | Improvisation für Violoncello solo (1993) | |
3 | Sonate Nr. 2 für Violoncello und Klavier (1993/1994) | |
4 | Musica nostalgica für Violoncello und Klavier (1992) | |
5 | Epilog zum Ballett Peer Gynt für Violoncello, Klavier und Tonband (1993) |
Interpreten der Einspielung
- Thorleif Thedéen (Violoncello)
- Roland Pöntinen (Klavier)