harmonia mundi HMU 907399
1 CD • 75min • 2004
12.08.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zwei „starke“ Stücke rahmen dieses Programm „à la russe“ der Pianistin Olga Kern: Rachmaninoffs b-Moll-Sonate op. 36 (in der revidierten Version bis 1931) und Balakirevs Orient-Studie Islamey, deren technischer Wildwuchs den Interpreten früherer Jahre einst das Fürchten lehrte. Inzwischen fegen junge asiatische Klavierakrobaten und -akrobatinnen (nicht nur aus China!) über die kaukasischen Akkord- und Oktavenberge, als handelte es sich um eine lediglich barbarisierte Haydn-Sonate. Zu erleben war jüngst solche Beherrschung des rein äußerlichen Materials beim zwölften Van Cliburn-Wettbewerb im texanischen Fort Worth. Vier Jahre zuvor – nämlich im Mai 2001 – gewann Olga Kern eben diesen namhaften Wettbewerb. Und nun zeigt sie sich hier in diesen Einspielungen als eine echte Matadorin virtuosen, muskulösen, dabei durchaus sinngebenden Klavierfanatismus’. Das heißt: Im Gegensatz zu den nicht namentlich genannten Wettbewerbsteilnehmerinnen der Konkurrenz 2005 verfügt sie nicht nur über schnelle, zuverlässige Finger, sondern auch über jene klanglichen Vorzüge, die im schnellen, atemberaubenden Tempo etwa der Rachmaninoff-Exaltationen auch Wärme, wenn man will: musikalische Heimat einzufangen vermögen. Es knallt und klingelt also nicht nur, sondern die disparaten Elemente der b-Moll-Sonate entfalten sich als Folge von Unausweichlichkeiten, wie sie dem spätromantischen Sonatenkonzept gleichsam unter der ästhetischen Flagge des Fantastischen entsprechen.
Die klangtechnisch sehr lebendig, natürlich wirkende Einspielung enthält im Binnenraum eine Fülle von interessanter Musik bis hin zu Miniaturen aus dem Bereich des Raren – so etwa die Etüden-Idylle Im Garten von Balakirev oder die technisch anspruchsvolle Präludium und Fuge-Kombination von Sergei Taneyev, die für mein Empfinden noch nie so fordernd und zugleich einleuchtend auf einem Tonträger zu erleben war. So markant und im Mittelteil einfühlsam Olga Kern jedoch die Islamey-Geschichte auch nacherzählt, an Cziffras elektrisierende, sozusagen nervös-polyphone Live- und Studio-Gestaltungen kommt sie nicht heran.
Peter Cossé † [12.08.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 36 | |
2 | Morceaux de fantaisie op. 3 (Fünf Fantasiestücke, 1892 - Élégie op. 3 Nr. 1, Prélude op. 3 Nr. 2, Mélodie op. 3 Nr. 3, Policinelle op. 3 Nr. 4, Sérénade op. 3 Nr. 5) | |
3 | Polka de V. R. | |
Sergej Tanejew | ||
4 | Prelude and Fugue gis-Moll op. 29 | |
Anatol Ljadow | ||
5 | Prelude Des-Dur op. 57 Nr. 1 | |
6 | The Musical Snuff Box op. 32 (Valse-plaisanterie) | |
Mily Alexejewitsch Balakirew | ||
7 | In the Garden (Étude-idylle) | |
8 | Islamey op. 18 (orientalische Fantasie) – Presto con fuoco |
Interpreten der Einspielung
- Olga Kern (Klavier)