
DG 073 006-9
1 DVD-Video • 2h 20min • [P] 1974
01.12.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kaum der heftigsten Salzburger Festspiel- und Regie-Debatten entwöhnt, erinnert diese musikselige Produktion von Verdis Otello an jene - kaum weniger - umstrittenen Karajan-Zeiten Anfang der 70er Jahre, als der Maestro in nahezu alleiniger Verantwortung Wagners Ring auf die Bühne brachte. Erinnern wird man sich auch an Puccinis La Bohème in der gekonnten, völlig naturalistischen Regie von Franco Zeffirelli - und nicht weniger stark haftet mir Karajans Salzburger Carmen-Inszenierung im Gedächtnis, die auf der Bühne unter ähnlichen Bedingungen wie diese Verdi-Musikalisierung und -Bebilderung (George Wakhevitch) in schier märchenhafter Buntheit ihren Lauf nahm.
Es handelt sich bei diesem nicht nur prominent, sondern stimmlich auch äußerst prägend besetzten Otello keineswegs um eine regelrechte Opernbühnenverfilmung, sondern um eine filmische Realisation unter Nutzung quasi naturalistischer Sondereffekte: echtes Wasser schwappt an die Hafenmauer, Otellos Schiff schwankt auf echter, schäumender See. Karajans Intentionen zielten also auf die audiovisuelle Umsetzung seiner bühnendramatischen Erfahrungen, nicht - wie heute in den meisten Fällen der DVD-Verwertung - auf das bewegte Ablichten einer Theaterproduktion.
Unter diesen Umständen erfährt der Zuschauer ein wohlüberlegtes Spiel von Nähe und Totale, er wird vor gewaltigen Festungsmauern oder in der Intimität eines Gemachs in die Lage versetzt, den Protagonisten sehr genau in die Augen zu schauen. So wird man von Karajan in gediegenstem Konservatismus durch die dunklen und zuweilen auch hellen Passagen des Dramas geführt, völlig unbelastet von ästhetischen Selbstzweifeln in Richtung einer aktualisierenden Durchdringung des Stoffes. Sie würden zweifellos aufkommen, wenn die luxuriösen Arrangements auf der Szene nicht von wirklich fabelhaften Sängern gleichsam bis zur musikalischen Neige ausgereizt würden. Vickers gibt einen hochexpressiven, schonungslosen, selbst gestemmte Höhe noch in pure Bedeutung ummünzenden Otello; Mirella Freni singt mit engelhafter Reinheit und auf der Basis jener piano-Brillanz, die man heute in der großen Reisewelt des Damengesangs so schmerzlich vermißt.
Die rein klangtechnische Qualität dieser nun mehr als 25 Jahre alten Produktion ist nicht ganz unproblematisch. Die Stimmen wirken stets ein wenig entfernt plaziert, zwar sehr natürlich, aber stets auch ein wenig beschnitten, was Räumlichkeit und Fülle anbetrifft. Das gleiche gilt für das Orchester und den Chor, aber man hört sich sehr schnell ein und hat dann wohl schon längst den Lautstärkeregler etwas hochgedreht.
Peter Cossé † [01.12.2001]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | Otello (Dramma lirico in quattro atti) |
Interpreten der Einspielung
- Mirella Freni (Sopran)
- Stefania Malagú (Mezzosopran)
- Peter Glossop (Bariton)
- Mario Macchi (Baß)
- Jon Vickers (Tenor)
- Aldo Bottion (Tenor)
- Michel Sénéchal (Tenor)
- José van Dam (Baß)
- Chor der Deutschen Staatsoper Berlin (Chor)
- Berliner Philharmoniker (Orchester)
- Herbert von Karajan (Dirigent)