Counterpoise

Hat Art Records ART 136
1 CD • 51min • 1998
01.01.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Daß Stefan Wolpe zu den großen Anstoßern des 20. Jahrhunderts zählt, hat sich in seinem Heimatland nach wie vor noch nicht herumgesprochen. Das mag daran liegen, daß in der Nachkriegszeit in Deutschland Musik wieder eine Frage der Weltanschauung und als solche beinahe ausschließlich geprägt war von der scheinbar schicksalhaft vorbestimmten Entwicklungslinie musikalischen Fortschritts, die von der zweiten Wiener Schule unmittelbar zu den Materialerkundern und Serialisten nach Darmstadt und Donaueschingen und Witten führte. Wolpe dagegen war auf Umwegen in New York gelandet und hatte dort einen Weg weiter verfolgt, der sich schon in Berlin abgezeichnet hatte, einen Weg, der den Jazz und alles, was mit ihm zusammenhängt, auf Tauglichkeit für seine eigene, kristalline, unbestechliche, unhermetische, sprechende Musik abklopfte.
Mit Leichtigkeit, Unterhaltsamkeit gar hat das Ergebnis bei Wolpe nur in den seltensten Fällen zu tun, wie die Stimmen aus dem Massengrab eindrucksvoll belegen. Die gallige Bosheit, die defätistische Trockenheit der Kästner-Verse finden sich in den scharfkantigen Klängen Wolpes musikalisch perfekt eingefangen. Diese Musik, deren Einzelteile scheinbar so gefällig sind, bleibt dem Zuhörer wie ein Kloß im Hals stecken. Dazu paßt das gemeißelte Spiel der Accantos und der XAXAS-Saxophonisten sowie das ungeschlacht gegrummelte Rezitieren.
John Carisi, Eddie Sauter und Christian Wolff lernten ihr kompositorisches Handwerk bei Wolpe – das ist nicht zu überhören. Daß sie dennoch jeweils eine sehr eigene Handschrift entwickelten allerdings auch nicht. Carisis jazzoide Gefälligkeit im Saxophon-Quartett und Wolffs sinnliche Materialausleuchtung in den Übungen für Snare-Drums werfen ihre Schatten schon ziemlich weit vom gemeinsamen Stamm in unterschiedliche Richtungen.
Bessere Interpreten als die Kombination aus dem mit allen Wassern gewaschenen, traumhaft homogenen, dabei aber gläsern präzise klingenden XASAX Saxophonquartett und den Kollegen vom Ensemble Accanto kann man sich für derlei Musik kaum wünschen. Und die Tonmeister vom WDR hatten auch ein ausgesprochen glückliches Händchen.
Peter Korfmacher [01.01.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Stefan Wolpe | ||
1 | Quartet für Trompete, Saxophon, Schlagzeug und Klavier (1950/1954) | |
John Carisi | ||
2 | Saxophon-Quartett Nr. 1 (1965) | |
3 | Counterpoise Nr. 1 für Trompete, Saxophon, Schlagzeug und Klavier (1948) | |
Eddie Sauter | ||
4 | Saxophon-Quartett Nr. 1 (1977) | |
Christian Wolff | ||
5 | Exercise 26 and 27 | |
Stefan Wolpe | ||
6 | Blues – Stimmen aus dem Massengrab – Marsch |
Interpreten der Einspielung
- Xasax (Saxophonquartett)
- Ensemble Accanto (Ensemble)