Supraphon SU 3410-2
2 CD • 2h 01min • 1996
01.10.1999
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ein tiefer Blick in die Werkstatt des Tschechen – denn Kompositionen für Violine und Klavier durchziehen das Schaffen Bohuslav Martinus wie ein roter Faden. Was nicht weiter verwundert, schließlich waren Geige und Klavier seine ureigensten Instrumente. Geige studierte er mit allem Drum und Dran, und das Klavier, das seinem kompositorischen Wollen nicht nur als Handwerksgerät, sondern eben auch ästhetisch weit näher lag, beherrschte er mit (autodidaktischer, daher einigermaßen unkonventioneller) Brillanz. Angesichts der geradezu unausweichlichen Logik, die von der düster-schwelenden Elegie von 1909 zur ersten von Martinu autorisierten Violinsonate von 1929 führt, ist es um so verblüffender, daß bislang niemand das höchst lohnende Unterfangen in Angriff nahm, die Werke für diese Besetzung komplett einzuspielen. Nun ist diese Lücke geschlossen – auf sehr erfreulichem Niveau.
Bohuslav Matousek ist ein fabelhafter Geiger, ein Interpret, wie man sich für Martinus Werke kaum einen besseren denken kann. Er findet genau den schmalen Mittelweg zwischen objektiver Distanz und emotionaler Dichte. So drückt und bebt die Elegie nur in dem Maße, daß es gerade eben noch schicklich ist. Und in der monumentalen C-Dur-Sonate (1919) betont Matousek nicht den überquellenden Wildwuchs des romantischen Überschwangs, sondern jene Momente, die in die Zukunft weisen: die Themenentwicklung aus Keimzellen, die rhythmischen Unschärfen, die diatonischen Ruhepole im chromatischen Gestrüpp.
So kann es kaum anders weitergehen als mit der d-Moll-Sonate von 1926, die völlig unproblematische neoklassizistische Inseln in Zonen bettet, die die Grenzen der Tonalität umfassender ausloten als man dies von Martinu gewohnt ist. Noch sucht der Komponist, ist er unentschlossen, ob mehrere unterschiedliche Tonarten gleichzeitig oder das Sprengen der tonalen Ketten in die Zukunft führen. Matousek folgt ihm mit herrlichem Ton, großer Geste und unbedingter Risikobereitschaft bis in die letzten Winkel.
Am Ende dieser Entwicklung stehen die erste Sonate und die Fünf kurzen Stücke (1929), in denen Martinu sich selbst gefunden hat. Damit ist die erste Doppel-CD der verdienstvollen Anthologie beendet, und man freut sich auf die zweite (SU 3412-132).
Man würde sich indes noch mehr freuen, säße Matousek ein gleichberechtigter Begleiter zur Seite. Gleich berechtigt – nicht gleich befähigt. Denn Petr Adamec muß sich als Pianist nichts vorwerfen lassen. Er beherrscht sein Handwerk, spielt rhythmisch äußerst präzise, schattet delikat seine Klangfarben ab – und bleibt gerade dadurch immer eine Spur zu professoral. Weil er nicht aus dem Schatten der Geige herausfindet, die in keinem der Werke so eindeutig vorn ist, daß das Klavier sich im asketischem mezzoforte hinter ihr verstecken müßte. Die ansonsten wunderbare Aufnahmetechnik verstärkt diesen Eindruck noch. Dennoch: Kaufen!
Peter Korfmacher [01.10.1999]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Bohuslav Martinů | ||
1 | Elegie H 3 (1909) | |
2 | Concerto H 13 für Violine und Klavier (1910) | |
3 | Sonate C-Dur H 120 für Violine und Klavier (1919) | |
4 | Sonate d-Moll für Violine und Klavier (1926) | |
5 | Impromptu H 166 (1927) | |
6 | Sonate Nr. 1 für Violine und Klavier (1929) | |
7 | Fünf kurze Stücke H 184 für Violine und Klavier (1929) |