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Besprechung CD

Suiten für Violoncello solo BWV 1007-1012

hänssler CLASSIC 92.120

2 CD • 2h 08min • 1998

01.05.1999

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Für die Philosophen unter uns könnte man sagen, daß die Dialektik gelegentlich die Synthese überspringt. Man kann sich aber auch anhören, was Boris Pergamenschikow mit Bach macht. Pergamenschikow (Jg. 1948) kommt aus der alten russischen Schule, in der man Bachs Musik wie eine Art Hünengrab darstellte. Dann stieß er auf den Cembalisten Leonhardt und lernte, daß man Bach auch verzieren, ergänzen, daß man mit ihm spielen darf. Und das tut er jetzt mit einer Vehemenz, die ungelogen sämtliche Barockcellisten jedenfalls verzierungstechnisch wie Pastorentöchter dastehen läßt. Diesmal hat die Begegnung zwischen spätromantischer und historisch bewußter Musikpraxis nicht auf den Mittelweg (oder eben zur Synthese) geführt, sondern ins wilde Extrem.

Da versucht ein hellwacher Musiker sechs Suiten lang seine Position gegenüber Bach zu finden, und das ist viel spannender als ein Musiker, der seine Position schon kennt und nur noch darlegen will. In den ersten drei Suiten hat der Russe am meisten experimentiert. Die Sarabande der C-Dur-Suite ist ein Lexikon der Verzierungen, die ausgeschmückten Wiederholungen wirken, als spränge man von herber Romanik direkt in flamboyanteste Gotik. Im Überschwang zerbricht der Cellist auch manche Linie ohne Not – bei Bachs auskomponierten Schmuckfassungen im Klavierwerk läßt sich ja sehen, daß gerade die luxuriösesten Ornamente sich aufeinander und auf das Gerüst beziehen. Aber auch wenn Pergamenschikow im Schluß des d-Moll-Präludiums schon fast groteske Ranken erdenkt, ist das doch erfrischend gegenüber dem Mainstream der Alte Musik-Szene, die mit zunehmendem Konsens immer weniger Überraschungen bietet – und der die Freiheiten barocken Musizierens vermutlich immer etwas unheimlicher waren, als sie zugeben mochte.

Seine eigene Synthese der Verzierungskunst erreicht der Cellist spätestens mit der Es-Dur-Courante. Da ist dann eine souveräne Eleganz zu hören, die er mit anderen Mitteln freilich auch vorher schon bietet, etwa mit der anspringend wendigen Agogik des G-Dur-Präludiums. Natürlich gibt es auch Durststrecken, Stücke, bei denen sich der Cellist wohl viel denkt, aber wenig zeigt, wie etwa die D-Dur-Allemande. Und es gibt ein paar seltsame Fehler wie das As, aus dem ein G wurde (CD 1, Tr. 13, 2'34). Aber vor allem gibt es Überraschungen. Und welcher Cellist hat es zuvor geschafft, den einsamen Hörer vor den Boxen zum Lachen zu bringen durch puren genialischen Übermut? Mir widerfuhr das bei der zweiten D-Dur-Gavotte. Sollten Sie auch mal ausprobieren.

Volker Hagedorn [01.05.1999]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007 für Violoncello solo
2Suite Nr. 2 d-Moll BWV 1008 für Violoncello solo
3Suite Nr. 3 C-Dur BWV 1009 für Violoncello solo
4Suite Nr. 4 Es-Dur BWV 1010 für Violoncello solo
5Suite Nr. 5 c-Moll BWV 1011 für Violoncello solo
6Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012 für Violoncello solo

Interpreten der Einspielung

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