Blickwechsel
hänge ich, zwischen Zeiten
Ars Produktion 38 658
1 CD • 44min • 2022
08.10.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unter dem wohl ad hoc gewählten Namen „Duo Blickwechsel“ kreieren hier die einzeln schon in anderen Formationen hervorgetretenen Schweizer Musikerinnen Maria Laschinger (Mezzosopran) und Olivia Zaugg (Klavier) „ihren eigenen kreativ-weiblichen Raum“. Konkret heißt das, dass sie ihr Augen-(oder besser: Ohren-)merk auf die Werke von Komponistinnen richten, die ihrer Auffassung nach im Konzertbetrieb immer noch zu wenig Aufmerksamkeit finden. Im Falle von Rebecca Clarke ist das sicher zutreffend, während Ethel Smyth und Lili Boulanger zumindest per Renommee unangefochtene Größen in der neueren Musikgeschichte sind.
Zwei ungleiche Schwestern
Ethel Smyth (1858-1944) war eine militante, Rebecca Clarke (1886-1979) eine eher sanfte Feministin, was sich in der Auswahl ihrer Texte aber nicht abzeichnet. Clarke studierte nach einer schweren Kindheit in London erst Violine, dann Komposition bei Charles Stanford. Ihren Durchbruch als Musikerin hatte sie dann allerdings als Bratscherin, erst später fand sie Anerkennung auch als Komponistin. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs siedelte sie in die USA über, in der nachfolgenden Zeit kam ihre eigene kreative Tätigkeit mehr und mehr zum Erliegen. In Fachkreisen bekannt sind vor allem ihre Kompositionen für Bratsche, die hier vorliegenden sechs Lieder auf Texte von William Butler Yeats, William Blake und John Masefield stammen aus einer frühen Schaffensphase und sind geprägt von einer volksliedhaft einfachen Melodik und einer harmonischen Grundstimmung, in der gelegentlich auch Humor aufblitzt (Infant Joy). Ethel Smyth zeigt in dem Triptychon Three Moods oft he Sea (1913) nach symbolistischen Texten von Arthur Symons eine impressionistische Farbenpalette, wobei die ruhigen Teile Requies und After sunset eine fulminante Sturmmusik in Before the squall einschließen. Zwei der Trois morceaux pour piano von Lili Boulanger (1893-1918) bilden stimmungsvolle instrumentale Intermezzi zu den Gesangsstücken.
Gemeinsame Reise in die Innenwelt
Die letzte Komposition, die dem Album zugleich den Titel gibt, führt in die unmittelbare Gegenwart: „hänge ich. zwischen Zeiten“ ist in enger Zusammenarbeit der beiden Künstlerinnen mit der in Basel lebenden Deutsch-Italienerin Francesca Gaza (Ja. 1995) entstanden, deren bisherige Arbeiten geprägt waren von Grenzüberschreitungen und Vermischungen unterschiedlicher Musikrichtungen, insbesondere Klassik und Jazz. Es ging der Komponistin dabei um „die Erforschung, das Verbinden und das Aufbrechen der Rollen des Klaviers und der Stimme“. Textgrundlage sind eigene Gedichte der Sängerin aus ihrem Zyklus In mir selbst Heimat zu finden ist mein Glück, in denen der Verlust eines geliebten Menschen lyrisch bewältigt wird. Musikalisch mutet die Umsetzung nicht wie eine Vertonung an, sondern wie eine einzige große Improvisation, bei der das Klavier die menschliche Stimme kommentierend begleitet, oft nur mit knappen Akkordfolgen, dann wiederum mit beinahe klassischen Interludien stimmungsmäßige Übergänge schafft zwischen den einzelnen Gedichten. Die Sängerin zeigt dabei eine Ausdruckspalette von Vokalisen, Sprechgesang, Kantilenen, bis hin zum reinen Sprechen und Flüstern.
Anspruch eingelöst
Der selbst gestellte Anspruch des eigenen weiblich-kreativen Raums wird von den beiden Künstlerinnen durchaus eingelöst. Maria Laschinger, deren Mezzosopran in höheren Lagen sopranhaft aufblüht, findet in allen Liedgruppen einen ganz persönlichen und intimen Ton, der zum genauen Zuhören einlädt, und ihre Klavierpartnerin Olivia Zaugg zeigt vor allem in Gazas Quasi-Improvisation besondere Sensibilität im Wechselspiel mit ihrer Stimme. Das Booklet enthält Fotos der beiden Interpretinnen, aber keines von Francesca Gaza, knappe Statements zu den aufgeführten Werken, aber leider keine Informationen zu den Komponistinnen.
Ekkehard Pluta [08.10.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Rebecca Clarke | ||
1 | The Cloths of Heaven | 00:02:07 |
2 | Shy One | 00:01:24 |
3 | Down by the Salley Gardens | 00:01:26 |
4 | A Dream | 00:02:10 |
5 | Infant Joy | 00:01:03 |
6 | June Twilight | 00:02:39 |
Lili Boulanger | ||
7 | D'un vieux jardin (aus: Trois morceaux pour piano) | 00:02:27 |
Ethel Smyth | ||
8 | Requies | 00:03:27 |
9 | Before the Squall | 00:04:59 |
10 | After Sunset | 00:02:54 |
Lili Boulanger | ||
11 | D'un jardin clair | 00:01:55 |
Francesca Gaza | ||
12 | hänge ich, zwischen Zeiten | 00:16:40 |
Interpreten der Einspielung
- Maria Laschinger (Mezzosopran)
- Olivia Zaugg (Klavier)