Franz Lehár
Schön ist die Welt
cpo 555 659-2
2 CD • 1h 37min • 2023
15.07.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit seiner Operette Endlich allein, die im Kriegsjahr 1914 in Wien herauskam und ihm sehr am Herzen lag, war Franz Lehár kein großer Erfolg beschieden, was ihm keine Ruhe ließ. Zwölf Jahre später versuchte er in Berlin eine Reprise, bei der ihm nun der neue Star Richard Tauber zur Verfügung stand. Das Echo war so positiv, dass er sich zu einer völligen Überarbeitung entschloss, die unter dem neuen Titel Schön ist die Welt am 3. Dezember 1930 im Berliner Metropol-Theater mit Tauber und Gitta Alpár in den Hauptrollen Premiere hatte. Von den Tauber-Operetten war dies im Übrigen die einzige mit einem Happy End. Beim Lehár-Festival in Bad Ischl ist sie im vergangenen Jahr erneut erfolgreich aufgeführt worden.
Ergänzungen
Die Librettisten Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda haben die Vorlage Alfred Maria Willners und Robert Bodanzkys um eine Variante von Georg Büchners Komödie Leonce und Lena angereichert. Zwei Königskinder, die verheiratet werden sollen, versuchen vor dieser Heirat zu fliehen und laufen sich inkognito ahnungslos in die Arme. Hier lernen sich Kronprinz Georg und Prinzessin Elisabeth als Bergführer und Touristin kennen und unternehmen eine gemeinsame Bergwanderung, die es dann in sich hat. Musikalisch hat Lehár einige Erweiterungen gegenüber dem Vorgängerstück vorgenommen und dem geänderten Zeitgeschmack entsprechend moderne Tanzrhythmen wie Tango und Slowfox in die Partitur integriert.
Alpenglühen
Auf den 2. Akt war er ganz besonders stolz. Und das mit einigem Recht. Handelt es sich doch um ein Unikat in der Operettengeschichte. Eine gute halbe Opernstunde lang stehen nur zwei Sänger auf der Bühne und singen gegen ein üppig aufgestelltes Orchester an. Der Komponist, der Tristan und Isolde sehr geliebt haben soll, scheint in diesem 2. Akt so etwas wie eine Travestie von Wagners Musikdrama geschaffen zu haben. Schon das Vorspiel hat es in sich: eine Alpensinfonie, die Richard Strauss Ehre gemacht hätte. Die Szene spielt auf einem Hochplateau, von dem aus man einen Ausblick auf die Gletscherspitzen hat. Die Touristin ist hingerissen von der Landschaft und zunehmend auch von ihrem Bergführer. Es kommt zu sehr persönlichen Gesprächen, die zu einer beiderseitigen Liebesneigung führen. Eine gewaltig herunterdonnernde Lawine tut ein Übriges, diese Gefühle zu verstärken. Die beiden können nicht ins Tal zurück und sind gezwungen, die Nacht in der Jagdhütte zu verbringen. Das Orchester steigert sich nun in immer heftigere Orgasmen, bis es auf der Bühne zum ersten Kuss kommt, dann führen Harfen-Glissandi in den siebenten Himmel der Liebe: „Wenn die Liebe will, stehn die Sterne still“. Erhabener Kitsch, den man allerdings goutieren kann. Noch besser gefällt mir der ironische Abschluss des Liebesgesanges: „Elisabeth geht in die Hütte, um sich schlafen zu legen, Georg bleibt vor der Tür bescheiden stehen. Vorhang fällt“. Vorehelicher Sex ist tabu.
Nahe am Idiom
Mit dem Mitschnitt aus Bad Ischl macht sich das Label cpo selbst Konkurrenz. Es hat nämlich auch eine konzertante Aufführung aus München im Katalog, 2004 mit den internationalen Opernstars Elena Moşuc und Zoran Todorovich aufgenommen, die damals auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren standen. Ihr Gesang nähert Lehárs Musik deutlich der italienischen Oper an, was einige Wirkung tut, wenn auch stilistisch nicht authentisch ist. Eine andere Münchner Produktion von 1954 mit Rudolf Schock und der jungen Anny Schlemm unter Werner Schmidt-Boelckes Leitung ist ein Beleg für die hohe Operettenkultur im Rundfunk der unmittelbaren Nachkriegsjahre. Sieglinde Feldhofer und Thomas Blondelle in Bad Ischl sind gegenüber diesen dokumentierten Gesangsgrößen nicht mehr als eine solide Stadttheater-Besetzung, treffen aber das Idiom der Musik glaubwürdig, was auch am Lehár-erfahrenen Dirigenten Markus Burkert liegt, der hier die richtige Balance zwischen sinfonischem Fluss und spritziger Rhythmik findet. Die Sänger der Nebenrollen (und es sind hier tatsächlich nicht mehr als Nebenrollen) machen durchweg einen guten Job.
Will man den Geist dieser Operette historisch begreifen, sollte man einige Titel daraus in Aufnahmen mit den Sängern der Uraufführung hören. Da fällt zunächst auf, dass Gitta Alpár als Elisabeth einen ganz anderen Stimm- und Frauentypus verkörpert als alle ihre genannten Nachfolgerinnen: ein silberheller, agiler Koloratursopran von bestrickendem Charme. Und Taubers Nonchalance im genauen Abschmecken der musikalischen Schönheiten ist ohnehin eine Klasse für sich. Wer‘s nicht ohnehin im Plattenschrank hat – die Aufnahmen sind auf youtube zu hören.
Ekkehard Pluta [15.07.2024]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Lehár | ||
1 | Schön ist die Welt (Operette in 3 Akten) | 01:37:28 |
Interpreten der Einspielung
- Sieglinde Feldhofer (Prinzessin Elisabeth, Nichte des Landgrafen - Sopran)
- Thomas Blondelle (Kronprinz Georg - Tenor)
- Gerd Vogel (Der König, Georgs Vater - Bariton)
- Katharina Linhard (Mercedes della Rossa, brasilianische Tänzerin - Sopran)
- Jonathan Hartzendorf (Graf Sascha Karlowitz, Adjutant des Königs - Tenor)
- Klara Vincze (Herzogin Maria Brankenhorst, Elisabeths Tante - Sopran)
- Joseph Terterian (Ein Jazzsänger - Tenor)
- Johannes Hubmer (Hoteldirektor - Tenor)
- Chor des Lehár Festivals Bad Ischl (Chor)
- Franz Lehár-Orchester (Orchester)
- Marius Burkert (Dirigent)