Dietrich Buxtehude
Membra Jesu Nostri BuxWV75
cpo 555 458-2
1 CD • 64min • 2021
23.10.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dietrich Buxtehude sei als Komponist von Membra Jesu Christi „die Ruhe selbst, ein Meister der Versenkung, ein Anti-Dramatiker“, urteilt Peter Uehling im Booklet dieser Aufnahme. Nun kann man diese Passionsmusik, die den Leib Christi Teil für Teil musikalisch vermisst, trotzdem dramatisch musizieren – oder sie in der benannten Ruhe belassen. Gregor Meyer geht mit seiner Opella Musica einen Mittelweg: Eine betrachtende Ruhe liegt durchweg über dieser Aufnahme – aber es ist eine schmerzlich bewegte Ruhe. Diese Contradictio in adjecto – also Bewegung contra Ruhe – ist einerseits durch das Instrumentalensemble beglaubigt, das vor allem in den Sonatas, die den Leib-Betrachtungen jeweils vorangestellt sind, einen oft sämig-dichten Klang produziert, der aber des Öfteren innerlich aufgewühlt wirkt. Die durch Vorhalte entstehenden Dissonanzen halten die Musiker auch durch – aber eher etwas warmweich als streng-hart.
Betrachtung schlägt in Bestürzung um
Andrerseits ist die „bewegte Ruhe“ durch den Gesang der Sopranistin Isabel Schicketanz beglaubigt, die in ihren Arien viel innere Anteilnahme hören lässt und einen Mitteilungsdrang, der die Betrachtung bisweilen in Bestürzung umschlagen lässt und der Schicketanz‘ Sopran dann aufgeregt-flirrig macht, als ob die Sängerin innerlich von Tränen überfließe. Da ist dann nichts mehr von „Anti-Dramatik“ spürbar. Und wenn man vom Text ausgeht und den verwendeten Bibelstellen, liest man, dass auch das Hohelied dafür ausgesucht ist: Das gibt dieser Schmerzbetrachtung durchaus etwas Sinnliches, ja erotisch Gefärbte („vulnerasti cor meum“: Du hast mein Herz verwundet) – wozu dieser Sopran gut passt. Natürlich timbriert, weich und doch viril mit satter Tiefe klingt der Bass von Friedemann Klos, leichtbewegt und ohne Druck auf die Stimme der Tenor von Tobias Hunger, denn – wie er singt –: „dulcis est Dominus“: süß ist der Herr. Alle Sänger und Sängerinnen singen nicht nur betrachtend, sondern auch emphatisch, mit gezielt eingesetztem Vibrato, schwellender Dynamik und bewegter Agogik auf engstem Raum, vor allem aber sehr textbewusst. Nicht recht ersichtlich aber ist, warum alle das Lateinische italienisch aussprechen (müssen) – wo es sich doch um norddeutsch-protestantische Passionsmusik handelt. Das hört sich hier falsch an.
Bestechende Transparenz
Beim Hören meint man, alle Sänger und Musiker seien in die Ferne gerückt, obwohl die Kirche Maria am Wasser in Dresden-Hosterwit, in der diese CD aufgenommen worden ist, so groß doch nicht ist. Eine größere Nähe muss man mit dem Lautstärkeregler herstellen. Dafür gefällt die Abstimmung zwischen dem Instrumentalensemble und dem Gesang und vor allem die bestechende Transparenz, die am Ende im Fugengeflecht des „Amen“ hörbar wird, aber auch im bezaubernden, fast schwesterlichen Zwiegesang der beiden Sopran in der die CD auffüllenden Passionskantate.
Rainer W. Janka [23.10.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dietrich Buxtehude | ||
1 | Membra Jesu Nostri BuxWV 75 (Kantate) | 00:54:29 |
8 | Fürwahr, er trug unsere Krankheit BuxWV 31 (Passionskantate) | 00:09:35 |
Interpreten der Einspielung
- Opella Musica (Ensemble)
- Gregor Meyer (Dirigent)