Rautavaara Martinů
Piano Concertos Nos 3
Olli Mustonen
BIS 2532
1 CD/SACD stereo/surround • 56min • 2022
17.12.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
So verschieden die beiden dritten Klavierkonzerte von Einojuhani Rautavaara und Bohuslav Martinů zunächst erscheinen mögen, lässt doch die Zusammenstellung beider Werke auf einer CD, wie man sie hier von Olli Mustonen und der Sinfonia Lahti unter der Leitung von Dalia Stasevska dargeboten bekommt, über alle Stil-, Orts- und Zeitgrenzen hinweg interessante Parallelen zwischen den Kompositionen deutlich werden. Von den zeitlichen Proportionen einmal abgesehen – die Stücke sind ähnlich lang und der langsame Mittelsatz ist jeweils der längste –, verbindet das 1948 vollendete Konzert des 1890 geborenen tschechischen Komponisten und das ein halbes Jahrhundert jüngere seines 1928 geborenen finnischen Kollegen die Hinneigung zu Folklore und Naturmystik.
Entgegengesetzte Pole
Martinů und Rautavaara gehen von entgegengesetzten Polen aus und von dort aufeinander zu. Martinů liebt markante Rhythmen, wie sie in tschechischer Tanzmusik vorkommen, greift gern zu Synkopen. Aber ausgiebiges Synkopieren ist auch sein bevorzugtes Mittel, um die rhythmischen Konturen zu verwischen, impressionistische Szenerien zu erzeugen. Diese Stellen in Martinůs Musik haben etwas vom Eintritt in einen rauschenden Wald. Auch bei Rautavaara geht der Wind durch die Bäume, fangen die Wasserspiegel der Seen an im Licht zu glitzern. Freilich, es ist eine andere Landschaft: karger, mit anderen, kontrastreicheren Lichtverhältnissen – entweder dunkler als bei Martinů oder heller. Vor allem aber wird man auf ganz andere Weise hindurch geführt: Während Martinůs Einfälle munter ins Kraut schießen und mitunter komplizierte Gestalten annehmen, ist Rautavaaras Material von außerordentlicher Schlichtheit: Wir begegnen engschrittigen Melodien in gleichmäßigen Notenwerten, zahlreichen Parallelführungen mild dissonierender Vierklänge, und kaum Kontrapunkt – die Polyphonie, die nichtsdestoweniger vorhanden ist und wirkt, ist auf elementare Phänomene reduziert. Im informativen Begleittext der CD kommt Rautavaara ausführlich zu Wort und spricht von seiner Heimat Finnland als von einer Welt „voller Symbole, alter Metaphern, verehrter Archetypen“. Tatsächlich gleicht das Dritte Klavierkonzert einem Artefakt traditioneller Volkskunst: einfach, ja grob in der Gestalt, aber voll Ernst, Würde und Seele. Die Harmonik Rautavaaras wirkt bei aller Modernität der Mittel archaisierend. Das verbindet ihn wohl am stärksten mit Martinů, der in seinem unbändigen, musikantischen Spieltrieb verschiedenste Möglichkeiten nutzte, der klassischen Funktionsharmonik Haken zu schlagen – und dabei immer wieder auf Wendungen aus der Volksmusik zurückkam.
Hervorragende Aufführungen
Die Aufführungen sind durchaus geeignet, beiden Werken Freunde zu verschaffen. Olli Mustonen zeigt sich als einfühlsamer Pianist, der sich mit der Stilistik der Kompositionen gut vertraut gemacht hat und den Kapriolen des tschechischen wie den entrückten Gesängen des finnischen Meisters gleichermaßen gerecht wird. Man höre etwa, wie er im Martinů-Konzert die Artikulationsanweisungen genau umsetzt, deutlich hörbar zwischen legato, non legato und staccato unterscheidet und aus den Sechzehntelketten die Melodien herausfindet! Rautavaaras Sechzehntelpassagen klingen als Ornamente, die nie Selbstzweck werden, sondern eine Melodie umranken, die entweder im Klavier selbst oder im Orchester erklingt. Gerade für diese choralartigen Melodien, die in allen drei Sätzen weite Strecken ausmachen, besitzt Mustonen den nötigen langen Atem. Er singt, rezitiert, deklamiert auf den Tasten. Dalia Stasevska spornt ihr hervorragend disponiertes Orchester zu vortrefflichen Leistungen an und bietet dem Solisten einen optimalen Raum sich zu entfalten.
Norbert Florian Schuck [17.12.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Einojuhani Rautavaara | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 3 (Gift of Dreams) | 00:26:31 |
Bohuslav Martinů | ||
4 | Klavierkonzert Nr. 3 | 00:29:00 |
Interpreten der Einspielung
- Olli Mustonen (Klavier)
- Lahti Symphony Orchestra (Orchester)
- Dalia Stasevska (Dirigentin)