Carl Heinrich Graun
Silla
Dramma per musica in drei Akten
cpo 555 586-2
3 CD • 3h 10min • 2022
10.07.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Carl Heinrich Graun (1704/05-1759), der jüngste der drei als Komponisten aktiven Brüder Graun, bekam seine erste Ausbildung an der Dresdner Kreuzschule, fiel im dortigen Chor durch seine schöne Stimme auf und erhielt in der sächsischen Hauptstadt eine umfassende Musikausbildung. Bald kam er mit der Oper in Berührung: Als blutjunger Mann von 19 oder 20 Jahren wurde er als hoher Tenor an die damals renommierte Braunschweiger Oper engagiert (immerhin in der Nachfolge Johann Adolph Hasses) und wurde bald Vizekapellmeister des Opernhauses. 1735 trat er in die Dienste des preußischen Kronprinzen Friedrich an dessen Hof in Rheinsberg, er folgte dem Prinzen nach seinem Herrschaftsantritt als König Friedrich II. von Preußen als Kapellmeister nach Berlin; in Friedrichs Auftrag reiste er auch nach Italien, um dort Sängerinnen und Sänger für eine neu zu errichtende Hofoper zu engagieren. Nach Berlin zurückgekehrt wurde er zu einer Hauptstütze des Repertoires der neuen Hofoper.
Frühe Vergessenheit
Nach seinem Tod 1759 an Herzversagen mit 55 Jahren und gerieten Grauns Opern, zu Lebzeiten nur dem Schaffen seines Zeitgenossen Johann Adolph Hasse (1699-1783) als ebenbürtig erachtet, außerordentlich schnell in eine gründliche Vergessenheit. Das lag keineswegs an der Qualität seiner Musik, sondern am damals beständigen Verlangen nach Neuem und hing wohl auch mit dem Erstrahlen Christoph Willibald Glucks (1714-1787) als neuem Stern am Opernhimmel zusammen.
Der geläuterte Tyrann
Niemand geringeres als Friedrich II. selbst verfasste die pièce dramatique, auf der die Handlung des Dramma per musica Silla beruht; geschildert wird die Abkehr des römischen Diktators Sulla von seinem bisherigen Terrorregime und sein Rückzug aus dem öffentlichen Leben. 1753 wurde Silla auf der Bühne der Berliner Hofoper uraufgeführt; mit vier Kastraten der ursprünglichen Besetzung in solistisch fordernden Rollen stellt das Werk an heutige Aufführungen beträchtliche Ansprüche, denn vier Kontratenöre (darunter ein Sopranist), die sich stimmlich individuell hervorheben und dabei gut ergänzen, sind nicht so leicht aufzutreiben.
Bemerkenswerte Produktion für die Innsbrucker Festspiele
Auf den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2022, die trotz der seinerzeit steigenden Infektionszahlen der Corona-Pandemie stattfanden, wurde als erste von drei Barockopern Grauns Silla in Koproduktion mit den Osterfestspielen Schloss Rheinsberg präsentiert. Unter der ebenso temperamentvollen wie stilistisch einfühlsamen Leitung Allessandro De Marchis singt ein großartiges Ensemble, das Bejun Mehta in der Titelrolle mit makelloser Technik und treffsicherer dramatischer Darstellung anführt. Seine drei Kontratenor-Kollegen Valer Sabadus, Hagen Matzeit und, als Sopranist Samuel Mariño, bilden in passenden stimmlichen Kontrasten und sicherer Leistung als Solisten wie im Ensemble vorzügliche Ergänzungen zu Mehtas anspruchsvollem Part. Die Sopranistinnen Roberta Invernizzi und Eleonora Belloci gestalten mit jeweils exzellenter stimmlicher Präsenz das Mutter/Tochter-Paar der Fulvia und Ottavia, die nach dem Willen der Mutter den Diktator heiraten soll, jedoch in Sillas Widersacher Postumio verliebt ist. Es ist die Liebesgeschichte der beiden jungen Leute, die Silla zur Einsicht, Vergebung und zum Rücktritt führt. So nimmt auch diese der 27 Opern, die Graun für die Berliner Hofoper schrieb, den vom Genre geforderten glücklichen Ausgang, das lieto fine.
Klanglich nicht ganz auf dem künstlerischen Niveau
Klanglich kann die Aufnahme das hohe Niveau der künstlerischen Leistungen nicht ganz halten; einzelne Solisten und das Instrumentalspiel klingen im Zusammenspiel meist natürlich, größere Besetzungen und Chorszenen lassen ein klares Klangbild im Ohr des Rezensenten etwas vermissen und drohen, in Dumpfheit zu versinken.
Detmar Huchting [10.07.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Carl Heinrich Graun | ||
1 | Silla (Dramma per musica in drei Akten) | 03:10:28 |
Interpreten der Einspielung
- Bejun Mehta (Silla, Römischer Diktator - Countertenor)
- Valer Sabadus (Metello, Römischer Ratsherr - Countertenor)
- Hagen Matzeit (Lentulo, Römischer Ratsherr - Countertenor)
- Samuel Mariño (Postumio, Römischer Ratsherr und Republikaner - Sopran)
- Eleonora Bellocci (Ottavia, Versprochene Braut des Postumio - Sopran)
- Roberta Invernizzi (Fulvia, Mutter der Ottavia - Sopran)
- Mert Süngü (Crisogono, Freigelassener - Tenor)
- Coro Maghini (Chor)
- Innsbrucker Festwochenorchester (Orchester)
- Alessandro Marchi (Dirigent)