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Besprechung CD

Benjamin Grosvenor

Schumann & Brahms

Decca 485 3945

1 CD • 1h 26min • 2022

23.04.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Bereits in ganz jungen Jahren räumte der britische Pianist Benjamin Grosvenor in seiner Heimat so ziemlich alle nationalen Preise ab, und hat – gerade mal dreißig – längst einen Exklusivvertrag bei Decca. Zuletzt hatte eine enorm sensible Einspielung u.a. der Lisztschen h-Moll Sonate große Zustimmung erfahren. Wie in Klavieralben schon verschiedentlich ausprobiert, dreht sich seine Neuveröffentlichung eigentlich um Clara Schumann – und in deren Umfeld naturgemäß um die Musik ihres Gatten Robert und des zeitlebens eng mit ihr verbundenen Johannes Brahms.

Klangschöne Darbietung der vertrackten Kreisleriana

»Dein Leben und meines und manche Deiner Blicke« lägen in den Kreisleriana, schrieb Robert 1838 an seine zukünftige Frau, als der von E. T. A. Hoffmanns gleichnamigem Teil seiner Fantasiestücke in Callots Manier inspirierte, ungemein komplexe achtsätzige Zyklus entstand. Nur um weiteren Ärger mit Claras Vater im Vorfeld der Hochzeit, die letztlich gerichtlich erstritten werden musste, zu vermeiden, änderte er die Widmung des Werkes in Chopin um. Das Prinzip des Kontrastes – vom Extremen zum Intimen – zwischen den Einzelsätzen widerspiegelt das affektgeladene Ringen um Clara. Die zahlreichen Ambivalenzen trotz gewisser formaler Einheitlichkeit adäquat darzustellen, gelingt nur selten überzeugend. Grosvenor verfügt in den schnellen Teilen über die nötige Virtuosität und Sinn für Dramatik, legt unter Vermeidung jeglicher Schroffheit insgesamt die bislang vielleicht klangschönste Einspielung überhaupt hin – selbst denen Argerichs oder Horowitz‘ überlegen. Leider betrachtet er im I. Satz (Äußerst bewegt) das vertrackte Sechzehntelgewusel als reine Begleitung, konzentriert sich ganz auf den harmonischen Verlauf der akzentuierten Melodietöne. Das haben etwa Eric Le Sage oder Florian Uhlig differenzierter ausgetüftelt. Dafür präsentiert Grosvenor die langsamen Sätze überragend, ebenso jedoch beispielsweise den kontrapunktischen Mittelteil von Nr. VII. Als Ganzes wirkt der Zyklus fast zu abgerundet, dabei absolut faszinierend.

Konzertante Variationen

Die übrigen Stücke des beinahe 86-minütigen Albums sollten nach den aufwühlenden Kreisleriana eher lyrischen Charakter haben. Dies zelebriert Grosvenor sehr konzentriert bei Robert Schumanns Romanze op. 28, Nr. 2, dem Blumenstück und seiner eigenen Bearbeitung des im Original vierhändigen Abendlieds op. 85, Nr. 12. Jeweils Variationen über Themen des Ehepartners sind der anfangs verhaltene 3. Satz der im Konzert meist verschmähten Klaviersonate Nr. 3 op. 14 Roberts sowie die großartigen Variationen op. 20 Claras. Letztere spielt Grosvenor angemessen konzertant; sie erscheinen unter seinen Händen aber ein wenig zu konventionell, was sie nicht wirklich sind. Dennoch darf man der aufnahmetechnisch makellosen Veröffentlichung gegenüber den allzu halligen Einspielungen Konstanze Eickhorsts oder Jozef de Beenhouwers hier den Vorzug geben.

Eindringliche Brahms-Intermezzi

1892 komponierte Brahms seine drei Intermezzi op. 117, die Clara sehr bewunderte. Selbst für seine späten Klavierwerke sind diese Stücke ungewöhnlich introvertiert, verzichten auf jede äußerliche Demonstration von Klaviertechnik, bedürfen dafür umso größerer Sensibilität, die Grosvenor natürlich erwartungsgemäß mitbringt. Mit beeindruckender Ruhe erzeugt er eine klangliche Balance und Atmosphäre, welche die unterschwellig immer vorhandene Trauer eindringlich in innige Schönheit taucht. Das letzte Quäntchen Kontemplation – bei Arcadi Volodos kann man es spüren – fehlt dem jungen Künstler allerdings noch. Pianistisch und mit höchst kontrollierter Ausdruckskraft beweist Grosvenor erneut, dass er ungemein viel zu sagen hat und die Hörer eineinhalb Stunden musikalisch zu fesseln vermag, und dies – ungeachtet berechtigter Kritik am Detail – auf Weltklasseniveau.

Vergleichsaufnahmen: [Kreisleriana] Martha Argerich (DG 410 653-2, 1984); Vladimir Horowitz (Sony SMK90443, 1969); Eric Le Sage (Alpha 813, 2008); Florian Uhlig (Hänssler HC17038, 2017) – [C. Schumann) Konstanze Eickhorst (cpo 999 132-2, 1986); Jozef de Beenhouwer (cpo 999 758-2, 1991) – [Brahms] Arcadi Volodos (Sony 88875130192, 2016).

Martin Blaumeiser [23.04.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Robert Schumann
1Kreisleriana op. 16 (Fantasien für Pianoforte) 00:35:11
9Romanze Fis-Dur op. 28 Nr. 2 00:03:46
10Blumenstück Des-Dur op. 19 00:07:17
113. Satz, Quasi variazioni. Andante (aus: Grande Sonate Nr. 3 f-Moll op. 14) 00:07:39
12Abendlied op. 85 Nr. 12 00:03:25
Clara Schumann
13Variationen über ein Thema von R. Schumann fis-Moll op. 20 00:11:31
Johannes Brahms
14Intermezzo Es-Dur op. 117 Nr. 1 00:05:14
15Intermezzo b-Moll op. 117 Nr. 2 00:04:54
16Intermezzo cis-Moll op. 117 Nr. 3 00:06:23

Interpreten der Einspielung

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